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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07
Autoren: Stephen R. Donaldson
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ihre Hände in einem eigens dafür entzündeten großen Feuer zu Stümpfen abbrannten. Obwohl niemand außer Linden die Wahrheit wusste, hatte dieses Ritual seinen Zweck erfüllt. Es hatte Covenant auf Joans Spur in den Wald gelockt. Dort hatte er ihren Platz eingenommen und war an ihrer Stelle getötet worden.
    In dem Leben, das Linden hier in ihrer Welt gelebt hatte, hatte sie Covenant kaum sechsunddreißig Stunden lang gekannt.
    Nach seinem Tod allerdings hatten die Menschen, die Covenants Selbstopfer arrangiert hatten, in gewissem Umfang zu geistiger Stabilität zurückgefunden. Ihre verkohlten Hände und ausgemergelten Körper waren schrecklich genug gewesen, und die Behandlung dieser Verletzungen hatten die Kapazitäten des County Hospitals aufs Äußerste belastet. Für die Bürger der County aber hatte die Last der psychischen Desorientiertheit sich als schwerer zu tragen erwiesen. Die County hatte sich kollektiv verantwortlich gefühlt.
    Die meisten Leute gestanden öffentlich ein, dass sie versäumt hatten, sich um die einsamsten und schwächsten Mitglieder ihrer Gesellschaft zu kümmern. Geistesgestörte Mütter und Väter hätten doch sicherlich nicht nur die eigenen Hände, sondern auch die ihrer Kinder ins Feuer gehalten, wenn ihr Elend nicht von den stabileren Seelen in ihrer Umgebung ignoriert worden wäre? Diese verletzten Männer und Frauen hätten doch sicherlich auf solche Gewalt verzichtet, wenn ihnen ein Ausweg angeboten worden wäre? Selbst wenn noch so viele geisteskranke Prediger sie zum Fanatismus angestachelt hätten, oder? Grausam leidende Kinder nächtelang schluchzen zu hören weckte bei den wohlmeinenden Bürgern der County den Wunsch nach irgendeinem Präventionsmechanismus.
    Doch das Gefühl kollektiver Schuld reichte tiefer, als die meisten Leute sich eingestehen wollten. Intuitiv erkannten die Menschen, dass die schrecklichen Ereignisse, die zu Covenants Tod geführt hatten, nie geschehen wären, wenn er nicht gemieden und ausgegrenzt, in die traditionelle Rolle des Leprakranken gedrängt worden wäre. Gewiss, er hatte an etwas gelitten, das die Ärzte als ›Primärform‹ von Hansens Krankheit mit ungeklärter Ätiologie bezeichnet hatten. Auch nach den Maßstäben einer selten vorkommenden Krankheit wie Lepra waren solche Fälle rar, aber sie traten trotzdem häufig genug auf, um an den Zorn Gottes denken zu lassen – an eine Strafe für Sünden, die so schändlich waren, dass der Sünder davon krank wurde.
    Zutiefst verängstigt und voller Abscheu, hatten die Leute Thomas Covenant gemieden; über ein Jahrzehnt lang war er auf der Haven-Farm nur geduldet worden: Er hatte sich nirgends sehen lassen und war nie in die Stadt gekommen, von seinen Nachbarn gemieden und von Barton Littleton, dem County Sheriff, gelegentlich schikaniert worden; er war von Megan Roman, seiner Anwältin, unbehaglich toleriert worden und hatte nur einen Freund gehabt: Doktor Julius Berenford, damals Chefarzt im County Hospital. Tatsächlich hätte der Abscheu der County vor seiner Krankheit Covenant ins Exil getrieben, hätte er nicht einmal einem kleinen Mädchen nach einem Schlangenbiss das Leben gerettet. Außerdem hatte er für die Bedürftigen der County beträchtliche Summen gespendet – von dem Geld, das er mit Romanen über Macht und Schuld verdiente. Deshalb hatte man ihn geduldet. Tatsächlich hatte er so ausgerechnet die Leute unterstützt, die ihm später den Tod gebracht und vermutlich zuvor Joan in den Wahnsinn getrieben hatten.
    Dann war er fort gewesen, unwiderruflich, und hatte nur Joan und Linden hinterlassen.
    Doktor Berenford glaubte, er sei zu Covenants Lebzeiten zu schweigsam gewesen. Später dann erhob er seine Stimme, und Megan Roman, die von ihrem eigenen schlechten Gewissen angetrieben wurde, griff seine Vorschläge auf. Auch die Wähler und Politiker der County fühlten sich verantwortlicher, als sie hätten zugeben wollen. Sie leisteten Lobbyarbeit im Parlament ihres Bundesstaats; sie erhöhten die Gewerbesteuer; sie beantragten Zuschüsse, und schließlich erbauten sie das Berenford Memorial Psychiatric Hospital, das nach Julius benannt wurde, nachdem er eines Nachts vor fünf Jahren friedlich entschlafen war. Dann ernannten sie Linden Avery zur Chefärztin des Berenford Memorials, denn sie war die Einzige von ihnen, die Covenant in seinen letzten Stunden begleitet hatte.
    Linden leitete eine kleine Klinik mit nur zwanzig Betten, alle in Einzelzimmern. Ihr Mitarbeiterstab
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