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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07
Autoren: Stephen R. Donaldson
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bestand aus fünf Krankenschwestern, fünf Krankenpflegern, einem Hausmeister, einem Gebäudetechniker und einer Gruppe von Teilzeitsekretärinnen, zu denen Freiwillige wie Maxine Dubroff kamen. Im Berenford Memorial arbeiteten zwei Psychiater. Und eine Internistin – sie selbst – mit Erfahrung in Unfallmedizin und Familienpraxis: Knochenbrüche, Traumata und Augenreizungen ...
    Aus der Eingangshalle führte sie Covenants Sohn in die Abteilung ›Intensivpflege‹ hinauf, deren zehn Betten mit Patienten belegt waren, bei denen die Gefahr bestand, dass sie sich selbst verletzten, das Pflegepersonal angriffen oder bei günstiger Gelegenheit wegliefen. Statt jedoch zu Joans Zimmer weiterzugehen, blieb Linden oben an der Treppe stehen und wandte sich Roger zu.
    »Bitte noch einen Augenblick, Mr. Covenant. Darf ich Sie etwas fragen?« Wenn er seine Mutter gesehen hatte, würde er ihr vielleicht keine Gelegenheit mehr dazu geben. »Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger verstehe ich, weshalb Sie hier sind.«
    Auch diesmal schien sein Lächeln reiner Reflex zu sein. »Was gibt es da viel zu verstehen? Sie ist meine Mutter. Warum sollte ich sie nicht sehen wollen?«
    »Natürlich«, erwiderte Linden. »Aber worauf beruht Ihr Wunsch, sich um sie zu kümmern? Das kommt nicht so häufig vor, wie Sie vielleicht denken. Das klingt offen gesagt ein bisschen ...«, der Ausdruck, den sie am liebsten benutzt hätte, lautete de trop, existenziell beeinträchtigt, »... beängstigend.«
    Roger schien sich zu versteifen. »Als ich sie zuletzt gesehen habe«, antwortete er, »hat sie mir erklärt, falls sie versage, müsse ich ihre Stelle einnehmen. Bis gestern hatte ich nicht die Mittel, um das tun zu können.«
    Linden hielt unwillkürlich den Atem an, während ihre Magennerven sich verkrampften. »Wobei versagt?«
    Vor langer Zeit hatte Joan Thomas Covenant aufgesucht – nein, nicht aufgesucht, sie war entsandt worden –, um ihn Verzweiflung zu lehren. Doch trotz ihrer schrecklichen Zwangslage und ihres Dursts nach seinem Blut hatte sie vollkommen versagt.
    »Ist das nicht offenkundig?«, erwiderte Covenants Sohn. »Sie ist hier, nicht wahr? Würden Sie das nicht als Versagen bezeichnen?«
    Nein. Einen Augenblick lang stockte Lindens Herzschlag, und während Erinnerungen sie auf gewaltigen Schwingen durchrauschten, fühlte sie sich wie von Furien bedrängt.
    Offenbar hatte sie ihre Gefühle nicht verbergen können, denn Roger streckte besorgt eine Hand aus, um ihren Arm zu berühren. »Doktor Avery, alles in Ordnung mit Ihnen?« Dann ließ er seine Hand sinken. »Ich finde wirklich, Sie sollten sie mir mitgeben. Das wäre für alle besser.«
    Auch für Sie, schien er zu sagen. Vor allem für Sie.
    Ihre Stelle einnehmen.
    Vor zehn Jahren war erbitterte Bösartigkeit, die durch all diese in die Flammen gehaltenen Hände, all diese aufgeopferten Schmerzen und das Verströmen von Thomas Covenants Lebensblut genährt wurde, in die Realität von Lindens Leben eingedrungen. Sie hatte Linden in Covenants Kielwasser an einen anderen Ort, in eine andere Dimension der Existenz versetzt. Die im Berenford Memorial tätigen Psychiater hätten sie als ›psychotische Episode‹ bezeichnet – als verlängerte psychotische Episode. Mit Covenant war sie in ein als ›das Land‹ bekanntes Reich gelangt, in dem sie so vielem Bösen ausgesetzt worden war, dass sie sich nahezu bis zur Unkenntlichkeit verändert hatte. In den dunklen Stunden jener Schicksalsnacht, bevor Julius Berenford sie neben Covenants Leiche gefunden hatte, hatte sie mehrere Monate außerhalb – oder in den Tiefen – ihres eigenen Ichs verbracht und darum gekämpft, die eigenen Schwächen und das Erbe ihrer Eltern zu überwinden, um die Schönheit einer Welt, die nicht dazu bestimmt war, verdorben zu werden, bewahren zu können.
    Jetzt schienen Rogers Worte anzudeuten, sie werde das alles noch einmal durchmachen müssen.
    Nein. Sie kehrte schaudernd zu sich selbst zurück. Das war unmöglich. Sie zuckte vor Schatten, vor Echos zusammen. Rogers Vater war tot. Sie würde kein zweites Mal gerufen werden. Das Land war Thomas Covenants Verderben, nicht ihres. Er hatte sein Leben dafür geopfert, wie er es zuvor für Joan getan hatte, und so war sein Feind, der abwechselnd als a-Jeroth, der Graue Schlächter oder Lord Foul der Verächter bekannte Herr der Finsternis, besiegt worden.
    Im Vertrauen darauf unterdrückte Linden ihre Besorgnis und wandte sich wieder Covenants
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