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Die Ruhe Des Staerkeren

Die Ruhe Des Staerkeren

Titel: Die Ruhe Des Staerkeren
Autoren: Veit Heinichen
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unterdrücken.
    »Meine Freunde rufen mich Sedem«, sagte er ohne weitere Erklärungen. »Und Sie?«
    »Nennen Sie mich Pina, das ist die Abkürzung von Giuseppina. Wo bringen Sie mich hin?« Sie hatten die Straße überquert und ritten auf der anderen Seite des Tals ein so steiles Waldstück hinauf, daß sie fast von der Kruppe rutschte. »Wäre es nicht näher zum Dorf, wo Sie mich absetzen könnten?«
    »Bei uns sind Sie besser aufgehoben. Dort oben liegt die Villa meines Vaters. Ein Arzt ist auch verständigt. Er wird bereits warten, wenn wir ankommen. Und ein Fahrer wird nachher Ihr Rad mit dem Pickup auflesen.«
    »Ich hätte auf sie warten können«, setzte Pina an und vollendete, nachdem sie den unwilligen Blick dieses Sedem gesehen hatte, den Satz nur aus Höflichkeit, »anstatt Ihnen zurLast zu fallen.« Und nach einer Weile fragte sie: »Haben Sie wirklich keinen Hund gesehen?«
    Sedem schüttelte den Kopf.
    »Einen braun-weiß gefleckten Kampfhund?« Sie hob ihren linken Fuß an. Das Taschentuch war inzwischen ein einziger roter Fleck. »Das Vieh wollte mich zerreißen. Um ein Haar hätte es das geschafft, dann hätten Sie mich begraben können. Seltsam, daß Sie den Hund nicht gesehen haben.«
    »Aus der Ferne sieht manches anders aus«, sagte Sedem. »Wir sind fast da.«
    Auf einem sanften Hügel, von dem sich eine großartige Aussicht nach Süden öffnete, lag ein altes Gehöft, das sehr aufwendig restauriert worden war. Zwei Seitenflügel, die im rechten Winkel zum Hauptgebäude standen, verhinderten den Blick in den Hof. Ein runder Torbogen aus Karstmarmor bildete den Eingang, war jedoch durch schwere, stählerne Türflügel verschlossen, die sich automatisch öffneten, nachdem Sedem eine Nummer in sein Mobiltelefon eingegeben hatte. »Wundern Sie sich bitte nicht«, sagte er zu Pina. »Das ist kein Bauernhof mehr. Die alten Stallungen sind Büros, darüber die Gästewohnungen. Es gibt nur noch einen Stall für die Stute hier, die mich geduldig erträgt.«
    Ein Bediensteter wartete an einer Rampe, vor der das Pferd hielt und auf der ein Rollstuhl stand.
    »Ich befürchte«, sagte Sedem zu dem Mann, »wir brauchen heute zwei. Holen Sie bitte den Ersatzstuhl. Unser Gast ist verletzt. Ist der Doktor schon da?«
    »Nach Ihnen«, sagte er schließlich zu Pina. »Ich komme alleine zurecht.«
    Behutsam rutschte sie von der Kruppe der Schimmelstute und ließ sich von dem Diener in den Rollstuhl helfen. Ihre Ferse schien vom heftigen Pulsen zu platzen, doch vermied sie, sich den Schmerz anmerken zu lassen, als sie sah, wie ihr Retter die Riemen um Oberschenkel und Hüfte, die ihn imSattel gehalten hatten, löste und sich ganz alleine in seinen Rollstuhl gleiten ließ. Wie elegant er mit seinem Gebrechen umging!
    Ein Diener führte das Pferd aus dem Hof, und als der Hufschlag verklang, vermeinte Pina ein Bellen hinter dem Gebäude zu vernehmen.

Dukes Wunsch
    »›Istria libera‹ nennen die sich?« Goran Newman lachte schallend. »Und sie wollen mich umbringen? Das ist ja wunderbar.« Dann wurde er schlagartig ernst und blickte seine Mitarbeiterin mit wasserklaren Augen an. »Gut gemacht, Vera.«
    Er blätterte trotz seiner grauen Seidenhandschuhe flink Seite für Seite des Dossiers um, das sie ihm auf den Tisch gelegt hatte. An der Wand seines Büros zeigten vier Flachbildschirme Tag und Nacht die Börsenkurse der wichtigsten Finanzplätze an. Singapur hatte soeben eröffnet, ein Pfeil neben den sich ständig verändernden Werten zeigte steil nach oben. Er legte die Fernbedienung auf den Schreibtisch zurück.
    »Es ist kein Scherz, Duke.« Im Sessel neben der blonden schlanken Frau saß Edvard, ein Mann Anfang Dreißig, der auffallend groß und muskulös und kaum weniger elegant gekleidet war als sein Chef. »Die Drahtzieher sind Schladerer, Mervec und Lebeni. Sie sind frustriert, weil du sie zum wiederholten Mal ausgebootet hast. Der Kauf der Grundstücke nördlich von Trogir hat das Faß für sie zum Überlaufen gebracht. Nach der Niederlage, die sie auf der Insel Hvar erlitten haben. Und jetzt bedienen sie sich dieser Gruppe ›militanter Idealisten‹, wie sie sich selbst nennen. Da sieht man, wohin der Hase läuft.«
    »Keine Sorge, nicht die Ruhe verlieren. Ich kenne die Herrschaften schon länger als dich. Sie können mit Niederlagen schlecht umgehen. Aber sie werden es lernen, sonst …« Er beendete den Satz durch eine unmißverständliche Geste, indem er sich mit zwei ausgestreckten Fingern über
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