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Die Rueckkehr der Phaetonen

Titel: Die Rueckkehr der Phaetonen
Autoren: Georgi Martynow
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wenn du gesagt hast, dass es nicht nötig sei. Wenn du mir etwas Ernstes sagen willst - und ich sehe schon, dass es so ist - dann sag es einfach. Ich denke nicht, dass es mich erschrecken oder verwundern kann.«
    »Nein, ich kann es nicht!«, schrie Lucius. »Sag du es ihm, Io!«
    Und Wolgin erfuhr alles.
    Die plötzliche Nachricht brachte ihn natürlich doch aus der Fassung - anders konnte es ja auch kaum sein. Das Ganze war schlicht und einfach zu unerwartet. Im ersten Moment spürte er Freude und Erleichterung - jetzt war es doch so, dass all die Fragen, die ihn beunruhigten, sich von alleine beantworten würden. Er hatte nie Angst vor dem Tod gehabt, und schon gar nicht jetzt. Er war bereits einmal gestorben, und es erschien ihm nicht besonders schlimm, es noch einmal zu tun. Aber dann begriff er plötzlich staunend, dass er doch verärgert war - nein, nicht ängstlich, sondern nur verärgert, weil diese Menschen, die im Vergleich zu seiner Zeit ein gewaltiges Wissen besaßen und die mächtigen Mitteln der heutigen Technik und Wissenschaft zu ihrer Verfügung hatten, sich scheinbar so leicht mit seinem Tod abfanden.
    »Ich danke Ihnen, Dmitrij, dass sie mir so gefasst zuhören«, sprach Io. »Jetzt kennen Sie die Sachlage auch. Wir können Sie nicht retten. Die phaetonische Wissenschaft, die viel weiter entwickelt ist als unsere, hat sich ebenfalls geweigert, etwas zu tun — also sind wir umso machtloser. Wenn Sie leben wollen, tun wir alles, damit ihre Unbeweglichkeit Ihnen kein Leiden zufügt. Wir werden immer bei Ihnen sein, Sie unterhalten und uns um Sie kümmern. Sie werden in der Lage sein, noch einige Jahre zu leben.«
    »Und wenn ich es nicht will?«
    »Dann werden wir Ihnen helfen zu sterben«, sagte Io mit zitternder Stimme.
    Die ganze Zeit, während Io sprach, saß Lucius mit gesenktem Kopf da. Bei los letzten Worten hob er ihn wieder hoch, und Wolgin sah Tränen, die über sein Gesicht strömten.
    »Bleib am Leben, Dmitrij«, sagte er. »Wenigstens um unsertwillen.«
    Nun wusste Wolgin, warum sich sein Vater so verändert hatte, und verspürte ein quälendes Mitleid mit ihm. »Und wenn ihr mich in Anabiose versetzt?«, fragte er. »Während ich schlafe, könnt ihr weiter arbeiten und ein Heilmittel finden.«
    »Glaubst du wirklich, dass wir daran nicht gedacht haben?«, fragte Io und ließ den ganzen offiziellen Ton fahren. »Der gesamte Wissenschaftsrat hat nach einer Lösung gesucht und nichts finden können. Der Anabioschlaf würde in deinem Fall zu nichts Gutem führen, sondern nur das unvermeidliche Ende beschleunigen. Man kann nur in Anabiose versetzt werden, wenn man völlig gesund ist. Es ist alles durchdacht worden, Dmitrij. Es ist die einzige Wahl, die du hast: Entweder ein sofortiger Tod oder ein paar Jahre Leben ...«
    »Gelähmt?«
    »Ja, gelähmt.«
    Wolgin dachte nach. Plötzlich bemerkte er staunend, dass er nicht mehr verärgert war und dass seine Gedanken klar und vollkommen ruhig waren. War er denn wirklich so unempfindlich geworden, selbst vor einer derartigen Wahl?
    Und nun? Sollte er um Erlaubnis bitten, mit der Antwort wenigstens bis morgen zu warten? Nein, es wäre grausam, Lucius einen weiteren Tag lang zu quälen. Er musste sich jetzt entscheiden. Er erinnerte sich plötzlich an Melnikowa, die in zwei Jahren zur Grjosa fliegen würde. Und bis dahin würde sie die ganze Zeit bei ihm zusammen sein, sie würde ihn nicht für einen einzigen Tag verlassen. Sich von dieser Frau zu trennen war für ihn schwerer als von Lucius, Mary und Wladilen. Also, sollte er sich für die Bewegungslosigkeit entscheiden? Um wenigstens bis zu ihrem Abflug zu leben? Wenn es danach doch noch zu schwer wäre, würde man ihm helfen zu sterben, sobald er darum bäte. Daran hatte er keine Zweifel.
    Lucius wandte den Blick nicht von Wolgin ab, in der Hoffnung, die wieder aufgeflammt war. Es war nicht so, wie er es erwartet hatte - Dmitrij hatte sich nicht sofort entschieden, sondern dachte nach. Wenn er das Leben wählen würde, würde Lucius, und nicht nur er, Tage und Nächte an einem Heilmittel arbeiten, und alle Macht der Wissenschaft würde für die Forschung eingesetzt werden. Die Erdwissenschaftler würden sich mit den phaetonischen in Verbindung setzen und zusammen alles Mögliche tun, um ihn zu retten. Für diesen gequälten und verzweifelten Mann schien jeder Aufschub ein rettender Anker zu sein.
    Wolgin zögerte immer noch. Er glaubte an los Worte, dass keine Aufschübe ihn retten würden,
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