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Die Rote Spur Des Zorns

Die Rote Spur Des Zorns

Titel: Die Rote Spur Des Zorns
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Gesellschaft. Sie müssten alle Möbel wegwerfen, wo ich mich draufsetze.« Sie zupfte an ihren Kleidern. »Aber ein bisschen Limonade wäre nicht schlecht.«
    »Kommt sofort.«
    Clare stapfte völlig entkräftet die Verandatreppe hinauf und ließ sich in einen der Korbsessel fallen. Russ folgte ihr. Er legte den Rucksack auf den Boden, bevor auch er Platz nahm. Jenseits der schattigen Ahornbäume und der schmalen grauen Straße erstreckte sich die Landschaft mit Viehweiden, Maisfeldern, Bauernhöfen – wie eine Flickendecke, durchsetzt von Felsen, Steilhängen und steinigen Bächen, die unter dem farblosen Himmel seltsam eindimensional in der Hitze flimmerte. Russ fühlte sich einen Moment, als würden die Korbmöbel, der Dielenboden und die fernen Gehöfte verschwinden, wenn er nur kurz den Kopf schüttelte, und er wäre stattdessen wieder im grünen Dschungel, wo hinter jedem namenlosen, nummerierten Hügel der Tod lauerte. Es war wie in einem Traum.
    Obrowski brachte einen Krug Limonade und zwei blaue Gläser, beide bis obenhin voller Eis, die er auf den Teakholztisch zwischen den Korbsesseln stellte. »Nicht zu fassen«, sagte er beim Einschenken. »Haben Sie wirklich diese Absturzmaschine geflogen, Reverend Fergusson?«
    Clare nahm eines der beiden Gläser entgegen. »Den Helikopter«, verbesserte sie. Ihr Blick brachte Russ auf den Gedanken, dass ja vielleicht auch sie daran zweifle, ob das alles die Wirklichkeit war oder nicht.
    »Diese Banker da, Mann, das sind Typen! Bisher hielt ich ja nicht sehr viel von dem Volk, das hier am Wochenende die Gegend unsicher macht. Ich weiß noch, wie sich auch Bill Ingraham mal von seinem Kompagnon zu so einem Paintball-Match hat mitschleifen lassen. Er sagte, es wäre die größte Zeitverschwendung seines Lebens gewesen, inklusive seiner Musterung fürs Militär.« Er lachte. Russ nahm das Glas, das Obrowski ihm reichte, und trank es so schnell aus, dass er lediglich eine kalte, saure Flüssigkeit über seine Zunge gleiten fühlte.
    Obrowski betrachtete erst ihn, dann Clare, dann sah er wieder zu Russ. »Ich lasse Sie beide jetzt in Ruhe, damit Sie sich erholen können, ja?«
    Die Fliegengittertür schlug hinter ihm zu, und sie waren allein. Russ schenkte sich ein zweites Glas Limonade ein, trank diesmal allerdings langsamer. Wenn er an den Absturz dachte, bekam er Bauchschmerzen, und wenn er an Clare dachte, dann schmerzte ihn auch der Rest. Also legte er seine Füße auf den Rucksack, betrachtete die surreale Landschaft und hing seinen Gedanken nach. Er stellte sich vor, wie Waxman Peggy zu der Felsspalte geführt und sie um Geld erpresst, wie er ihr gedroht und mit ihr gekämpft hatte; dann ein geglückter Schlag oder Stoß von ihr – »geglückt«, weil sie eine zierliche Frau war, die Waxman an Körpergewicht unterlegen sein musste –, und er stürzte in den Abgrund.
    Mit Rucksack.
    Großer Gott.
    »Clare.«
    »Hm?«, machte sie.
    »Waxmans Rucksack war doch auch dort unten in der Schlucht.«
    »Ja, das sagten Sie bereits.«
    Er nahm seine Füße vom Rucksack herunter und bückte sich. Deshalb hatte sein Unterbewusstsein ihn gedrängt, dieses Ding die ganze Zeit mitzuschleppen.
    »Warum lag sein Rucksack dort unten neben ihm? Dafür gab es doch gar keinen Grund. Wenn ich jemanden angreife oder mit ihm kämpfe, würde ich dann einen Rucksack tragen?«
    Eine kurze Stille entstand. Clares Eiswürfel klimperten im Glas – auch das ein unpassendes Stück Normalität. »Nein«, antwortete sie schließlich.
    »Er hatte ihn nicht bei sich. Hatte ihn nicht mal in seiner Nähe.« Russ öffnete die Riemen des Rucksacks und klappte ihn auf. Darin befanden sich Kunststoffbehälter voll Wasser, in dem grüne Algenpartikel schwammen, eine eselsohrige Landkartensammlung des Staates New York – und, auf einem Stapel schmutziger T-Shirts, ein kleines, verschweißtes Plastikpäckchen, gerade groß genug für eine Frauenhand, gefüllt mit weißem Pulver. Russ hörte Clare scharf die Luft einziehen.
    Der Rucksack. Jemand hatte ihn in die Felsspalte geworfen. Damit er neben der Leiche gefunden würde. Als Beweismittel. Nur waren Russ und Clare zu früh auf der Bildfläche erschienen.
    »Was hat Malcolm zu diesem Unbekannten gesagt? Über Peggy?«
    »Dass er seiner Tante nicht zu nah kommen sollte.« Ein tüchtiger Stoß über den Rand, und gerade genug Indizien, um eine Verbindung zwischen Waxman und Dessaint herzustellen. Russ fühlte sich versucht, eine Kostprobe von diesem Pulver
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