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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees
Autoren: Evelyn Holmy
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insbesondere Kinder dagegen behandelt hatte. Nun geht ihr auch auf,
woher sein Bauchweh kam. Vorsichtig ergreift sie den Wurm mit den Fingern und
zieht ihn behutsam heraus, so dass er nicht entzwei reißt. Er ist nur eine
Spanne lang, was gegen ein weibliches Tier spricht, welches Nachkommen in
Robert hinterlassen haben könnte. Dennoch wird sie ihm so bald als möglich ein
Klistier aus dem Absud von Baldrianwurzeln verpassen. Sie putzt Robert ab und
wirft den Wurm in den Bach, wo er fortgespült wird. Als sie mit ihrem Sohn
unterm Arm wieder auf dem Felsplateau anlangt, lässt sie gedämpftes Hundegebell
überrascht aufblicken. Selbst unter tausenden Kötern würde sie Hedas Bellen
heraushören. Und was sie da hört ist zweifellos Hedas freudiges Kläffen. Sie
stellt Robert auf dem Plateau auf die Füße und schirmt die Augen mit der
flachen Hand gegen die Sonne ab. Über den Bach hinweg hält sie erwartungsvoll
Ausschau nach dem treuen Tier. Dann vernimmt sie das Schnauben eines Pferdes
und erstarrt. Als daraufhin ein Schimmel zwischen den Bäumen auftaucht, atmet
sie erleichtert auf. Der Reiter ist zierlich gebaut. Als sie ihn erkennt, hebt
sie verwundert die Brauen. Es ist Blanche.
    Eilig nimmt sie die Felstritte
wieder hinab zur Ebene der kleinen Aue. Blanche blickt zu ihr herab und gleitet
aus dem Sattel. Sie verharren einen Augenblick schweigend voreinander, um sich
dann lächelnd in die Arme zu fallen.
    „Blanche, welch freudige
Überraschung. ... Du hast den langen Ritt auf dich genommen, nur um mich zu
besuchen?“ Sie weiß, wie schwer sich Blanche mit dem Reiten hat. Umso mehr
schätzt sie ihr Kommen.
    „Ach Joan. Wir sind vor Sorge
um dich fast gestorben. ... Ist Robert bei dir?“
    „Ja. ... Komm herauf.“
    Sie klettern zur Höhle hinauf
und setzen sich um die Glut des Feuers auf die Wildschweinfelle. Robert
klettert auf Joans Schoss. Seine misstrauischen Blicke bezeugen ihr, dass er
Blanche bereits vergessen hat.
    „Ihr haust hier doch nicht etwa
allein“, fragt diese, wobei sie sich befremdet umblickt.
    „Nein. Wir haben bei Gwen, der
alten Kräuterfrau, Unterschlupf gefunden.“
    Blanche atmet durch. „Wäre Heda
heute nicht auf Thornsby Castle aufgekreuzt, wüsste ich noch immer nicht, ob
ihr am Leben seid“, äußert sie mit nunmehr vorwurfsvollem Ton. „Die anderen
suchen euch bereits seit Wochen. Sie haben keine Ahnung, dass ich Heda bis
hierher gefolgt bin.“
    Joan zeigt sich von ihren
Worten unbeeindruckt. „Ich hatte meine Gründe“, antwortet sie kühl. Verwundert
bemerkt sie, wie Blanche das Gesicht einen Moment lang hinter den Händen
verbirgt und sich daraufhin über die Augen wischt.
    „Es ist nichts“, winkt diese
beim Anblick ihrer besorgten Miene ab. „Ich bin nur froh, dass es euch den
Umständen entsprechend gut geht. ... Die letzten Wochen auf der Burg waren die
Hölle.“
    „Wie geht es Leander“, fragt
Joan, während sie ihr ein wassergefülltes Gefäß aus Birkenrinde reicht.
    Blanche trinkt durstig und
nickt. „Gut. ... Doch er vermisst euch.“
    „Ich hoffe, Malcom lässt ihn
nicht links liegen.“
    Blanche wischt sich mit dem
Handrücken über den Mund, wobei sie ihr ernsthaft ins Gesicht blickt. „Malcom
ist völlig neben sich. Er vermag sich nicht einmal mehr um sich selbst zu
kümmern, ist im Grunde ununterbrochen betrunken, seit du gegangen bist.“
    Joan senkt betroffen den Blick.
„Ich kann ihm nicht mehr helfen, Blanche.“
    „Du bist der einzige Mensch,
welcher es noch könnte.“ Sie seufzt. „Du glaubst nicht, was Ray alles versucht
hat, um etwas aus ihm herauszubekommen. Denn man müsste schon blind sein, um
dein Verschwinden nicht mit seinem Zustand in Verbindung zu bringen. ... Er
packte ihn gar und hielt seinen Kopf in die Pferdetränke. Alles umsonst.“
    Auf Joans beharrliches
Schweigen hin rutscht Blanche zu ihr herum. „Joan, ich fürchte, es wird immer
ärger mit ihm, wenn er demnächst nicht mehr in unserer unmittelbaren Nähe ist.“
    Sie blickt fragend auf.
    „Er hat den Lehnseid
geschworen“, erklärt Blanche.
    „Er hat sein Lehen?“
    „Ja.“
    „Wo?“
    „Man gab ihm die Baronie vom
alten Ellingsby.“
    Joan ist erfreut. So leben sie
in unmittelbarer Nachbarschaft. Dann besinnt sie sich. Sie wird wohl keinen Fuß
auf Ellingsby Castle setzen.
    „Wann kommst du nach Haus“,
fragt Blanche eindringlich. „Was ist zwischen euch vorgefallen?“
    Joan schüttelt abweisend den
Kopf. Scheinbar ist die beschauliche Zeit, in
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