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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees
Autoren: Evelyn Holmy
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vertrauen
kannst.“
    Sie denkt an Ulman, was sie
beipflichtend nicken lässt. Dann wird sie unruhig. Plötzlich ergreift eine
lähmende Furcht von ihr Besitz. Sie hat einen entsetzlichen Verdacht.
    Gwen ist ihr Stimmungswechsel
nicht entgangen. „Was ist dir“, fragt sie beunruhigt.
    Joan schüttelt bestürzt den
Kopf. Sie muss Gwen nicht einmal fragen. Sie ist sicher, soeben eine
ungeheuerliche Entdeckung gemacht zu haben, welche ihre Liebe zu Ulman, ihre
Seelengleichheit in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. Wie aus der
Ferne hört sie ihre eigene Stimme. „Ich verschmolz meinen Geist mit einem Mann,
der mir viel bedeutete. Auch er besaß das dritte Auge. Es wurde eine tiefe
Liebe daraus, wobei die seine schon länger für mich währte. Er gab am Ende sein
Leben für meines. ... Ich lernte durch ihn erst recht spät, meinen Geist zu
verschließen. Wenn es wahr ist, dass er unbewusst Zugang zu mir hatte, weiß ich
nun nicht mehr, ob diese Liebe echt war, welche ich für ihn empfand. Was, wenn
ich seine innigen Gefühle, die er mir entgegen brachte, für die meinen hielt?“
Und erwähnte er nicht, dass es ihm mit Fiona genau so erging?
    Gwen hebt ratlos die Hände.
„Wer weiß schon, was wahre Liebe ist und worauf sie sich begründet? Ist es
nicht oft so, dass die Liebe des anderen ansteckend wirkt? Man nicht auch ein
wenig selbstverliebt die Aufmerksamkeit genießt, die einem zuteil wird? Ist es
nicht immer magische Anziehung? Für jeden ist der Begriff der Liebe eine andere
Wahrheit.“ Sie zuckt die Schultern. „Man kann die Triebe beeinflussen, wie du
als Heilkundige sicher weißt. Doch die Liebe? Oft ist beides schwer voneinander
zu unterscheiden. Wenn Mann und Frau einmal eins geworden so aneinander hängen,
nicht mehr voneinander lassen wollen, sich nachlaufen und füreinander erwärmen,
sich nach dem anderen sehnen und es sie nach dessen Liebe dürstet. Wenn sie
sich mit der Glut ihrer Herzen enträtseln und erschließen und doch einander
geheimnisvoll bleiben. Wenn sie im Miteinander alles teilen, Leid und Weh
ebenso wie Freude.“ Sie nickt beim Anblick von Joans betretener Miene. „Es wäre
schon möglich, dass er ungewollt Einfluss auf dich nahm. Auch wenn ich kaum
glaube, dass dies von langer Dauer hätte sein können, ohne dass du es bemerkt
hättest. ... Du wirst es nun jedoch nicht mehr herausfinden. ... Ist er
derjenige, der deine Ehe erschütterte?“
    Joan nickt unglücklich.
    Gwen zuckt die Schultern. „Sage
dir einfach, dass du womöglich ohne eure Verschmelzung weniger für ihn
empfunden hättest. Vermutlich wird es dir dadurch leichter, wieder einen Weg zu
deinem Mann zu finden.“
    Joan nickt. Doch die
Vorstellung, um eine Liebe betrogen worden zu sein, macht sie traurig. Sie will
Ulmans Andenken bewahren, nicht im Nachhinein in Zweifel über ihre Gefühle zu
ihm geraten. ... Doch Gwen hat Recht. Sie muss nach vorn blicken. Es ist auch
in Ulmans Sinn, wie sie weiß. Dieses Wissen wird ihr helfen, endlich von ihm
loszulassen.
    „Er ist noch immer hier, Joan“,
unterbricht Gwen ihre Gedanken. „Er kann weder vor, noch zurück. Du musst ihn
gehen lassen.“
    Joan starrt sie an, bar
jeglicher Gefühlsregung.
    Gwens ernste Miene wechselt in
eine freundliche. „Kein Abschied ist für immer.“ Sie breitet die Arme lachend
aus. „Sieh dich um. Alles ist in einem immer wiederkehrenden Kreislauf
geschöpft. Im Kleinen, wie auch im Großen.“
    Joan schließt die Augen, bringt
Gwens Worte mit sich in Einklang. Aus einem innersten Gefühl heraus weiß sie,
dass sie wahr sind. Sie atmet durch. „Ich will mit diesem verteufelten dritten
Auge nichts mehr zu tun haben“, knurrt sie verächtlich, woraufhin Gwen wieder
ihr Lächeln zeigt.
    „So gehörst du nicht zu jenen,
die aus Machtbesessenheit alles darüber erlernen wollen. ... Da du dies nicht
willst zeigt es mir, dass du reif dafür bist und dieser Macht den nötigen
Respekt entgegenbringst. Gott offenbarte dir sein kleines Geheimnis nicht
grundlos. ... Es ist ein Geschenk Gottes, vergiss das nie!“
    Joan schüttelt vehement den Kopf.
„Ich bin damit fertig.“
    Gwen lacht auf. „Auch wenn ich
dir zeige, wie du damit heilen kannst?“ Sie kichert über Joans plötzlich
ungeteilte Aufmerksamkeit und fährt fort. „Es ist dir vergönnt, das lebendige
Licht zu schauen. Diese Gabe musst du nutzen! ... Auf die richtige Weise. Ich
werde dir den Weg zeigen.“
    „Das lebendige Licht?“
    Gwen nickt ernsthaft. „Es ist
das Licht
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