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Die rote Farbe des Schnees

Die rote Farbe des Schnees

Titel: Die rote Farbe des Schnees
Autoren: Evelyn Holmy
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sind noch von Robert gedehnt. Joan erwartet das Kind jeden
Augenblick. Schwerfällig begibt sie sich auf alle Viere, wobei Malcom hinter
sie kommt. Sie empfängt die nächste Wehe mit einem markerschütternden Schrei
und presst aus Leibeskräften. Als die zarte, hohe Stimme ihres Kindes erklingt,
schießen ihr Freudentränen in die Augen. Sie dreht sich herum und blickt auf
das winzige blutverschmierte Bündel in seinen Armen herab.
    „Ein Mädchen“, raunt er gerührt
lächelnd. „Wie du es dir gewünscht hast.“ Er gibt ihr die Kleine in die Arme
und betrachtet beide versonnen.
    Joan streicht über den
schwarzen Flaum, wobei sie Malcom verstohlen beobachtet. Seine Freude ist nur
verhalten. Er scheint mit sich zu hadern. Als er ihre Blicke bemerkt, atmet er
durch.
    „Joan, ist sie von mir?“
    Sie blitzt ihn an. „Natürlich“,
erwidert sie vorwurfsvoll, was ihn ohnmächtig seufzen lässt.
    „Wie kannst du dir so sicher
sein“, fragt er aufgewühlt und sieht wieder auf das Kind. „Wir hatten denselben
Vater. Auch Ulman könnte ein Kind mit schwarzem Haar zeugen.“
    Sie beißt sich plötzlich auf
die Lippen, um ein Grinsen zu unterdrücken. „Du Schafskopf! Es KANN nicht seines
sein. Versteh das doch endlich!“
    Seine Augen weiten sich. Sie
kann seine Gedanken förmlich greifen. Dann stellt er den Kopf abschätzend
schräg.
    „Du würdest mich doch nicht im
Angesicht dieses Kindes belügen?“
    „Nein“, erwidert sie prompt.
„Tat ich es denn schon einmal?“ Sie rollt mit den Augen. „Ausgenommen mit
Jack?“
    Fassungslos lässt er sich nach
hinten in den Sitz fallen, starrt sie wortlos an. Sie wartet auf die Hand, mit
der er sich für gewöhnlich durchs Haar pflügt, wenn er außer sich ist, und wird
nicht enttäuscht.
    „Gott. Joan, wie kannst du es
nur mit mir aushalten“, raunt er am Boden zerstört, wobei er sich mit beiden
Händen zugleich übers Gesicht fährt. Er lässt diese dann matt ins Gras zwischen
seine etwas gespreizten Beine sinken und bedenkt Joan mit tieftraurigem Blick.
    Sie setzt sich abwartend neben
ihn.
    Zögerlich nimmt er ihre Hand,
um diese dann sicher mit seiner Pranke zu umschließen. „Erst jetzt weiß ich,
was du mir da vergeben hast. ... Bei Gott, ich hatte keine Ahnung.“ Er drückt ihre
Hand unvermutet fest, liest plötzlich einen faustgroßen Stein zu seiner Seite
auf, um ihn zu ihrer Verwunderung zornig in den Weiher zu schleudern. „Ich reiß
dir die verlogene Zunge raus, Amál“, ruft er ungehalten, wobei er zur
Untermalung eine Handvoll Gras ausreißt, um sie dem Stein heftig hinterher zu
fördern.
    Als sie seine Worte begreift,
zieht sie bestürzt die Luft ein. „Sag, dass das nicht wahr ist!“
    Statt einer Antwort legt er den
Kopf verächtlich schniefend in den Nacken, um sich zu sammeln. Dann lässt er
den Blick ernüchtert auf ihr ruhen. „Ich bin selbst schuld. Weshalb vertraute
ich ihm mehr, als dir? Ich hätte mich nur einmal fragen sollen, was er von
einer solchen Behauptung haben könnte.“ Er schüttelt den Kopf. „Ich habe es
nicht einen Moment lang angezweifelt“, raunt er und lacht gequält auf. „Er
kennt mich wohl besser, als ich mich selbst.“
    Joan atmet durch. Amál darf
ihnen diesen einmaligen Moment nicht zerstören. Er soll von Freude über die
Geburt ihres Kindes beherrscht sein. Verfluchen können sie Amál auch später
noch. Beschwichtigend legt sie Malcom eine Hand auf den Arm. Er blickt auf, um
dann resigniert den Kopf zu schütteln. „Ich werde es wohl nie lernen.“
    „Nun, du hast eben aus
leidlicher Erfahrung einen äußerst schnell verletzbaren Stolz“, tut sie ab und
reicht ihm sein Kind. Er nimmt es, worauf er den Blick nicht mehr von dem
kleinen Gesicht abzuwenden vermag. „Wir haben eine Tochter“, bemerkt er bewegt.
    Sie verharren eine Weile in
andächtigem Schweigen.
    Er räuspert sich. „Du hast sie
dir so gewünscht. Lass sie uns deshalb Désirée nennen.“
    Joan ist freudig überrascht
über seinen guten Einfall. „Ja. Ein passender Name. ... Er klingt schön“, meint
sie zustimmend und küsst der Kleinen die Stirn. Dann lehnt sie sich etwas
zurück, um Vater und Tochter glücklich lächelnd zu betrachten. Ihre Hand
wandert zum Ring um ihrem Hals. Sie zieht das Lederband über den Kopf und beißt
es durch. Als sie seine Hand ergreift, blickt er fragend auf. Überrascht sieht
er ihr dabei zu, wie sie ihm seinen Ring wieder überstreift.
    „Ich erweitere meinen Schwur“,
verkündet sie bedächtig und
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