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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn
Autoren: Heinz G. Konsalik
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… wirklich, das Ende … Wie leicht man ist, wie müde … wie fern schon allen Geräuschen und Eindrücken. O es ist herrlich, zu sterben … so herrlich … man gleitet hinüber und ist glücklich, schlafen zu können.
    Schlaf – allzeit getreuer Freund … Goethe … Egmont … Der Monolog im Kerker … In der Schule lernten wir ihn, und ich mußte ihn aufsagen: »Wensky, deklamieren Sie den Schlafmonolog«, sagte Dr. Perser. »Er ist wie für Sie geschrieben! Sie schlafen gern während des Unterrichts!«
    Ein heißer Schmerz durchglühte ihn vom Becken bis zu den Haarwurzeln. Es war ihm, als zöge durch seine Arterien ein Strom von Feuer. Er stöhnte auf und hieb die Zähne in das Holz des Balkens, um nicht aufzuschreien.
    Dann war wieder die Müdigkeit um ihn, die Schwerelosigkeit, das selige Gefühl des Schwebens.
    Er lächelte. Und mit diesem Lächeln schlief er ein. Als sein zerfetztes Bein vom Balken fiel, hinein in die große Blutlache, spürte er es schon nicht mehr.
    Durch das Artilleriefeuer ging die 6. Kompanie zurück.
    Sie bestand aus sieben Mann, die mit zwei MGs 42 wie die Hasen im Zickzack nach rückwärts hetzten. Hinter ihnen her brummten die sowjetischen Panzer und besetzten die russischen Infanteristen die verlassenen deutschen Bunker. Vor ihnen her sprang das Feuer der leichten Feldgeschütze, eine Feuerwalze, der sie nachliefen, weil sie in ihrem Schutz sicherer waren als in dem Vakuum zwischen Artillerie und Panzergeschützen.
    Im Bataillonsgefechtsstand trafen sie Hauptmann Faber sterbend an. Leutnant Mönkeberg sammelte die Reste der Trosse auf, die er nach vorn beordert hatte, bevor die letzte Sprechverbindung zerriß.
    Fritz Leskau kniete neben Faber auf der Erde und gab ihm aus seiner Feldflasche zu trinken. Es war Wahnsinn … der braune Tee lief, kaum daß er ihn trank, aus dem gräßlich aufgerissenen Magen wieder heraus … er sickerte durch die zerfetzten Därme, die der Bataillonssanitäter mit Mullbinden zurückgedrückt hatte.
    Faber schlug für einen Moment die Augen auf. Sein Blick traf auf Leskau, und sein Kopf zuckte hoch.
    »Leskau? Du hier? Was ist mit der Front?«
    »Das alte Lied, Herr Hauptmann. Wir laufen mal wieder. Eines Tages wird das ganze deutsche Volk nur noch aus Langstreckenläufern bestehen.« Er versuchte ein Lächeln. »Das wird eine Olympiade, Herr Hauptmann! Wir bekommen alle Goldmedaillen in den Laufdisziplinen!«
    Strakuweit hinkte heran. Jenseits des Waldes waren die sowjetischen Panzer aufgefahren. In einer Viertelstunde konnten sie aus dem Wald kommen und den Bataillonsgefechtsstand aufrollen.
    »Wir müssen abhauen, Fritz«, flüsterte er Leskau ins Ohr. »Ich muß doch Lottchens Kind den Vater erhalten.«
    »Und Faber?«
    »Willst du den mitnehmen? Der ist doch nicht transportfähig!«
    »Aber er lebt noch! Wir können ihn doch nicht lebend liegen lassen!«
    »Aber der Iwan …« Strakuweit schluckte und sah auf den röchelnden Faber. Sein Magen war ein einziger Blutsee. »Mit fünfunddreißig Panzern steht er hinter dem Wald! Die machen uns zur Minna …«
    Leskau beugte sich wieder über Faber. Er nahm die Hand des Sterbenden und tastete nach dem Puls. Noch war er fühlbar, flatternd, ab und zu aussetzend … aber das Herz arbeitete noch in einem Körper, der in der Mitte fast durchtrennt war.
    »Pack an, Theo!«
    Strakuweit starrte Leskau wie einen Verrückten an. »Wo denn? Er bricht ja durch, wenn wir ihn wegschaffen.«
    Über den Wald hinweg schoß leichte russische Feldartillerie, Leutnant Mönkeberg zog mit seinem zusammengescharrten Haufen zurück zum Regimentsgefechtsstand. In den Feuerpausen der Artillerie hörte man das Fauchen und Kettenklirren der durch den Wald sich vortastenden Panzer. Sie fuhren langsam, vorsichtig, auf weiten Abstand. Man dachte, der Wald sei vermint.
    Faber schlug die Augen wieder auf.
    »Theo ist auch hier? Meine ganze alte Kompanie! Wißt ihr noch, wie wir die Turmspitzen von Moskau sahen? Im Morgennebel schwebten sie zwischen den Wolken … so nahe waren wir am Ziel!« Er hob den Kopf. Die Artillerie hämmerte zwischen Bataillon und Regiment die Wege zusammen. In dem Feuerstrudel kämpfte sich Leutnant Mönkeberg zurück. Er rannte durch die Einschläge, den Kopf eingezogen, die Arme dicht am Körper. Er sah nicht nach rechts oder links … er rannte um sein Leben. Niemand kümmerte sich jetzt mehr um den anderen … wenn es um das nackte Dasein geht, ist der Kamerad längst gefallen!
    Leskau stützte den
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