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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen
Autoren: Bernard Werber
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sind wir prähistorische Individuen. Unsere Unkenntnis ist grenzenlos, und es gilt noch fast alles zu erfinden.
    Es gibt so vieles zu tun … Und Sie sind zu so vielen wunderbaren Dingen imstande.
    Ich bin nur eine Welle, die sich mit Ihrer Welle – der Welle des Lesers – überlappt. Diese Begegnung oder Interferenz ist hochinteressant. Darum wird dieses Buch für jeden Leser anders sein. Fast so, als ob es lebendig wäre und sich Ihrer jeweiligen Bildung anpaßte, Ihren jeweiligen Erinnerungen, Ihrer jeweiligen Sensibilität.
    Wie werde ich mich als Buch verhalten? Ganz einfach –
    indem ich Ihnen einfache kleine Geschichten über Revolutionen erzähle, über Utopien, über das Verhalten von Menschen und Tieren. Dann liegt es an Ihnen, die entsprechenden Schlüsse daraus zu ziehen, nach Antworten zu suchen, die Ihnen auf Ihrem persönlichen Weg weiterhelfen.
    Ich selbst habe Ihnen keine Wahrheiten zu verkünden.
    Wenn Sie es wollen, wird dieses Buch lebendig. Und ich hoffe, daß es Ihnen zum Freund wird, zu einem Freund, der Ihnen helfen kann, sich selbst und die Welt zu verändern.
    Wenn Sie jetzt bereit sind und es wirklich wollen, schlage ich vor, daß wir gemeinsam etwas Wichtiges tun: umblättern.
    EDMOND WELLS,
    Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Band III
     

8. KURZ VOR DEM PLATZEN
    Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand berührten die Ecke der Seite, hoben sie an und wollten umblättern, als aus der Küche die Stimme ihrer Mutter ertönte: »Das Essen ist fertig!«
    Zum Lesen blieb keine Zeit mehr.
    Mit ihren neunzehn Jahren war Julie sehr zierlich. Ihre glänzend schwarze Mähne fiel glatt und seidig wie ein Vorhang bis auf ihre Hüften herab. Die blasse, fast durchsichtige Haut ließ manchmal die bläulichen Adern an Händen und Schläfen durchscheinen. Die hellen mandelförmigen Augen waren lebhaft und warm, ständig in Bewegung, so daß sie wie ein unruhiges kleines Tier wirkte.
    Mitunter brach jedoch ein jäher Blitzstrahl aus ihnen hervor, als ob sie alles vernichten wollte, was ihr mißfiel.
    Julie hielt ihr Äußeres für unscheinbar. Darum betrachtete sie sich nie im Spiegel, benutzte nie Parfüm oder Make-up, auch keinen Nagellack. Wozu auch, ihre Nägel waren sowieso immer abgekaut.
    Auf Kleidung legte sie ebenfalls keinen Wert. Sie versteckte ihren Körper unter weiten dunklen Gewändern.
    Ihre Schullaufbahn war ungleichmäßig verlaufen. Bis zur letzten Klasse war sie ihren Mitschülern um ein Jahr voraus gewesen, und alle Lehrer hatten ihr intellektuelles Niveau und ihre geistige Reife gerühmt. Aber seit drei Jahren ging gar nichts mehr. Mit siebzehn war sie durchs Abitur gefallen. Mit achtzehn wieder. Jetzt, mit neunzehn, wollte sie es zum drittenmal versuchen, obwohl ihre Noten mittelmäßiger denn je waren.
    Ihr schulisches Versagen hatte mit einem bestimmten Ereignis begonnen: dem Tod ihres Gesangslehrers, eines alten, schwerhörigen Tyrannen, der mit originellen Methoden unterrichtete. Er hieß Jankelewitsch und war überzeugt, daß Julie Talent hatte und daran arbeiten sollte.
    Er hatte ihr die Zwerchfell-und die Lungenatmung ebenso beigebracht wie die richtige Hals-und Schulterhaltung. All das wirkte sich nämlich auf die Qualität des Gesangs aus.
    Sie hatte bei ihm bisweilen das Gefühl, ein Dudelsack zu sein, den ein Instrumentebauer mit aller Gewalt vervollkommnen wollte. Von ihm lernte sie, wie man die Herzschläge mit der Atmung in Einklang brachte, aber er vernachlässigte auch die Arbeit am Mienenspiel nicht und lehrte sie, wie man Gesichtszüge und Mundstellung verändern mußte, um eine maximale Wirkung zu erzielen.
    Schülerin und Lehrer hatten sich wunderbar ergänzt. Obwohl der ergraute Lehrer fast taub war, konnte er allein durch die Beobachtung ihrer Mundbewegungen und dadurch, daß er ihr seine Hand auf den Bauch legte, die Qualität der Töne erkennen, die sie hervorbrachte. Die Schwingungen ihrer Stimme vibrierten in seinen Knochen.
    »Ich bin taub? Na und! Beethoven war es auch und hat trotzdem ganz gute Arbeit geleistet«, knurrte er oft.
    Er hatte Julie erklärt, daß der Gesang eine Macht besäße, die weit über Klangschönheit hinausginge. Er lehrte sie, ihre Gefühle zu modulieren, um Streß zu überwinden und allein durch ihre Stimme Ängste zu vergessen, und er lehrte sie auch, dem Gesang der Vögel zu lauschen, die einen wesentlichen Beitrag zu ihrer Ausbildung leisten könnten.
    Wenn Julie sang, wuchs aus ihrem Bauch ein Energiestrahl
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