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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen
Autoren: Bernard Werber
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mochte. Wahrscheinlich hatte er nur einige Zeitungsartikel gelesen.
    »Sehr gut«, murmelte er ausweichend. »Danke, daß Sie sich für unsere lokalen Angelegenheiten interessieren.«
    »Können Sie mir Näheres darüber erzählen? Wurden diese Pyramidenbewohner verurteilt?«
    »Nein, nein, die Geschworenen waren sehr milde. Die Angeklagten mußten nur versprechen, im Wald keine Bauwerke mehr zu errichten.«
    »Und diese Maschine, die eine Unterhaltung mit Ameisen ermöglichte?«
    »Das waren die typischen Übertreibungen von Journalisten, die ja aus jeder Fliege einen Elefanten machen.«
    »Aber es gab doch ein Gerät, das Ameisenpheromone in Menschenwörter umwandeln konnte«, beharrte der dänische Botschafter.
    Der Präfekt lachte. »Sie haben die Sache also auch geglaubt?
    Alles nur Attrappe! Ein Terrarium, eine Phiole, ein Computer
    … Und irgendwo in der Außenwelt ein Komplice, der die Antworten gab und dabei so tat, als wäre er eine Ameise. Nur sehr naive Menschen können geglaubt haben, daß man wirklich eine Ameise reden hörte.«
    Der Däne aß einen Heringshappen und spülte ihn mit einem Glas Schnaps hinunter.
    »Die Ameise hat also nicht gesprochen?«
    »Ameisen werden sprechen, wenn die Hühner Zähne bekommen.«
    »Hmmm«, meinte der Botschafter, »Hühner sind immerhin ferne Nachkommen der Dinosaurier. Vielleicht hatten sie früher Zähne …«
    Diese Unterhaltung reizte den Präfekten immer mehr. Er wollte sich verdrücken, aber der Botschafter packte ihn am Arm und insistierte: »Und diese Ameise Nr. 103?«
    »Nach dem Prozeß wurden alle Ameisen freigelassen. Wir konnten uns doch nicht lächerlich machen, indem wir Ameisen zum Tode verurteilten. Jetzt werden sie im Wald ganz normal von Kindern zerquetscht oder von Spaziergängern zertrampelt.«
    Der Botschafter kratzte sich am Kopf. »Und die jungen Leute, die im Namen der ›Revolution der Ameisen‹ das Gymnasium besetzt hatten?«
    »Auch sie wurden freigesprochen. Ihr Abitur konnten sie nicht machen, soviel ich weiß, aber sie haben verschiedene kleine Unternehmen auf dem Dienstleistungs-und Informatiksektor gegründet, und die scheinen zu florieren. Ich für meine Person bin sehr dafür, junge Menschen zu ermutigen, neue Projekte zu verwirklichen.«
    »Was ist mit Kommissar Linart?«
    »Der Ärmste hat sich bei einem Treppensturz den Hals gebrochen.«
    Der Botschafter verlor allmählich die Geduld. »Wenn man Sie hört, könnte man glauben, es wäre überhaupt nichts geschehen.« »Ich glaube, man hat diese ganze Geschichte von der
    ›Revolution der Ameisen‹ und vom Prozeß gegen Insekten sehr aufgebauscht. Unter uns gesagt« – er zwinkerte dem Botschafter zu – »wir brauchten ein bißchen Publicity, um der Touristikbranche in unserer Gegend auf die Beine zu helfen.
    Seitdem kommen doppelt so viele Menschen wie früher in den Wald, und das ist gut so – für die Lungen dieser Leute ebenso wie für den hiesigen Kleinhandel. Übrigens hat doch wohl auch Ihr Wunsch nach einer Partnerschaft mit Fontainebleau etwas damit zu tun, oder?«
    Der Däne entspannte sich ein wenig. »Ja, das gebe ich gern zu. In unserem Land hat dieser Prozeß großes Interesse geweckt. Manche Leute glaubten sogar, es könnte eines Tages tatsächlich ein Konsulat der Ameisen bei uns Menschen und umgekehrt geben.«
    Dupeyron lächelte diplomatisch. »Solche Waldlegenden sind wichtig, auch wenn sie noch so abstrus sein mögen. Ich bedaure sehr, daß es seit Beginn des 20. Jahrhunderts keine Verfasser von Legenden mehr gibt. Diese Literaturgattung scheint völlig aus der Mode gekommen zu sein. Und dabei hat die ›Mythologie‹ dieser Ameisen aus dem Wald von Fontainebleau dem Tourismus mächtigen Aufschwung gegeben.«
    Dupeyron warf einen Blick auf seine Uhr. Zeit für seine Ansprache. Er stieg aufs Podium und holte seinen üblichen
    ›Partnerschaftszettel‹ hervor.
    »Ich erhebe mein Glas auf die Freundschaft zwischen den Völkern und auf die Verständigung aller Menschen guten Willens! Sie interessieren uns, und ich hoffe, daß auch wir Sie interessieren. Welche Sitten, Traditionen und Technologien wir auch haben mögen – ich glaube, daß wir uns gegenseitig bereichern können, um so mehr, je größer die Unterschiede sind …«
    Endlich durften die ungeduldigen Gäste wieder Platz nehmen und sich auf ihre Teller konzentrieren.
    »Sie werden mich für einen sehr naiven Menschen halten, aber ich dachte wirklich, es könnte möglich sein«, setzte der Däne
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