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Die Rekonstruktion des Menschen

Die Rekonstruktion des Menschen

Titel: Die Rekonstruktion des Menschen
Autoren: Erik Simon (Hrsg)
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sondern in den
Maulwurfshügeln, denn mehr kann er sich nicht leisten. Um Reichtum
und Macht zu vergeuden, muß man erst einmal das eine wie das
andere haben. Ein Stern ist keine stille Reserve, die Sonne kein
Notgroschen, die Astrotechnik kein Geizkragen. Soviel Sterne man auch
ausbeuten mag, immer bleibt die unzerstörbare Unendlichkeit, die
allein durch ihre Gewaltigkeit jeder praktischen Rechnung spottet
– daher kann nur völlige Uneigennützigkeit den Kosmos
bewältigen. Dem blinden Chaos seiner Feuer muß man den
bewußten Willen des Kurz-und-klein-Schlagens entgegensetzen.
Übrigens sind wir bereits auf diesem Weg, denn zertrümmern
wir die Atome nicht in winzige Teilchen? Man muß sich den
Verhältnissen anpassen. Folglich muß die Astrotechnik hoher
Zivilisation eine Orgie grandioser Schläge sein, die die
Himmelskörper aus ihrem Hammelkreis herausstoßen – nur
zum Vergnügen, nicht um des Vorteils willen. Die Firmamente sind
voller Galaxien, die dem Zerstieben überlassen wurden, was
notabene das üppige Vorhandensein kosmischen Staubs erklärt.
Die Bruderintelligenz erkennt man also aus astronomischer Distanz an
der unwahrscheinlichen Wucht der Tritte, die sie dem Weltgebäude
versetzt; gerade dadurch beweist sie ihre sinnvolle Gegenwart im All.
Uns fegt noch jeder beliebige Komet mit dem Schweif von der
Oberfläche der Semenia, jedes beliebige Blinken der Sonne bringt
uns um, doch unsere Macht wächst und nicht die des Kosmos, daher
wird der erfreuliche Tag kommen, an dem wir reicher werden und den
Brüdern im Verstand zeigen, daß man kein Heiliger zu sein
braucht, um Töpfe zu drehen, und vielleicht auch, wo der Pfeffer
wächst.
    Der Kosmos erweitert und dehnt sich also nicht von
selbst, er zerfällt nur vor unseren Augen unter den Schlägen,
die ihm die hohen Astrokratien verabreichen.
    Diese wissenschaftlichen Betrachtungen
übertönte der Donner eines neuen Weltkriegs, in dem die
Körperkonserve mit dem Block der somatischen Freiheit
zusammenprallte. Zum Glück hatten die Kriegshandlungen keine
größeren Opfer zur Folge, da die zerfetzten Gegner auf dem
Schlachtfeld sofort vom Auferstehungsdienst oder den Promptessen der
Wiederbelebungsbereitschaft zusammengeflickt wurden. Der
Oberbefehlshaber erhob gleich dort die verwegensten Draufgänger in
den Adelsstand, was zu dem geflügelten Wort führte: Vom
Schlachten zum Geschlecht. Die Partei zur Erhaltung der
natürlichen Körper erlitt eine Niederlage, was die Positionen
der Kirchen in der Welt Schwächte, weil die sich zu ihr bekannt
hatten. Und dann kam es zu lokalen Aufständen, die als Rebellion
der Busenfans und Sterzpreisler bekannt sind, aber diese Erhebungen
wurden erstickt, und es trat – nicht für lange –
Ordnung ein, da es zu einer Diktatur der Rechenautomaten kam. Diese
Angelegenheit verlangt eine Erklärung. Bereits an der Schwelle der
Körperära führte jeder Semenide ein Doppelleben, ein
gewöhnliches und ein im Personaldatenzentrum durch Zahlen
simuliertes, obwohl viele sich über diese lautlose
Überwachung entrüsteten und sie als Ziffrokratie
bezeichneten. Die Einrichtung war jedoch unerläßlich, denn
niemand wäre mehr imstande gewesen, die Daten aus Wirtschaft,
Industrie wie auch alle anderen unentbehrlichen Daten in seinem Hirn zu
speichern. (Und selbst wenn jemand sie unterbringen könnte,
hätte niemand Lust dazu.) So erhielten also Computer und
Simulatoren die Ordnung aufrecht, Indern sie den ganzen Planeten
Semenia durch die Optik von Satelliten, allgemein Glotzoskope genannt,
beobachteten.
    In diesem Zeitalter der Allfreiheit mußte nur
die Tugend verschämt das Licht meiden. Aus verständlichen
Gründen war die Prostitution längst erloschen, und ihr Ersatz
– die Glanz-undGloria-Mädchen. – fanden keinen
Beifall, jeder wußte nämlich, daß wahre Unschuld nicht
an der Straßenecke herumlungert, also mußte die
feilgebotene Keuschheit eitel Heuchelei sein. Die Moralinisten
versteckten sich mit den Moralinistinnen in Geheimklubs, wo sie bei
Wasser und Brot ihren Zölibationen frönten. Gerade in diesen
Kreisen verstärkten die Endglieder der Personaldatenzentren das
Apostolat der Zügellosigkeit. Später sah man darin die
gezielte Vorbereitung eines Staatsstreichs der Datenzentren. Niemand
kümmerte sich jedoch um die Intelligenzmühlen – sie
nahmen von allein zu, und als die Zahl der Semeniden die Million
überschritt, war kein Platz mehr in den Computheken, obwohl jedes
ihrer Elektrone einen Scheffel Bits
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