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Die Reise nach Uruk

Die Reise nach Uruk

Titel: Die Reise nach Uruk
Autoren: Vampira VA
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nicht . ertragen .«
    Nein, dachte die Frau mit der fast durchscheinend hellen Haut, das hättest du nicht, ich kenne dich. Deshalb warst du ja ein so besonderer Mann ...
    Sie waren grundverschieden. Er durch und durch moralisch den-kend, und sie das genaue Gegenteil.
    Aber aus Liebe - aus Liebe zu diesem Mann - hatte Elisabeth Stifter, die in einer fernen Zukunft als Beth MacKinsey gelebt hatte und mit diesem Namen gestorben war, stets den Fluch im Zaum zu halten versucht, mit dem sie beladen war. Niemand außer ihr selbst wußte, welche Qualen ihr durch die Geißelung ihrer Gier abverlangt worden waren.
    Tobias hustete, rang um Atem, krallte nun seinerseits seine Finger schmerzhaft in die Hände seiner Frau, als er versuchte, sich an ihr hochzuziehen, und stieß hervor: »Ich wünsche ... dir alles ... Glück bei deinem ... Wagnis!«
    Nach diesen Worten sank er in sich zusammen. Seine Muskeln erschlafften, sein lodernder Blick brach.
    Letzte Worte . Elisabeth Stifter merkte kaum, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Sie beugte sich auf dem lehnenlosen Stuhl, auf dem sie saß, vor und legte ihre Wangen auf die noch warme Brust des Toten. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, den eigenen rasenden Herzschlag auf den ermatteten Muskel in Tobias' Brust zu übertragen ... aus irgendeinem Körper in diesem Kloster Lebenszeit abzuziehen und in das angehaltene Uhrwerk zu leiten .
    Sie verzichtete darauf, weil es genau das gewesen wäre, was er ihr immer verboten hatte. Mehr als einen geringen Aufschub hätte sie in diesem Stadium ohnehin nicht mehr erwirken können. Und dafür war der Preis - sein Zorn - zu hoch.
    Elisabeth Stifter schloß die Augen. Ihre Erinnerung wanderte noch einmal das lange Wegstück zurück, das der Tote und sie gemeinsam gegangen waren. Nur einmal hatten Abschiedsworte sie vergleichbar wie die von Tobias aufgewühlt. Siebzig, nein, einundsiebzig Jahre war das her, als im Frankenreich nahe der deutschen Grenze eine Frau, die Elisabeth unbekannt erschienen war, ihr etwas zugeraunt hatte, was sie seither nie mehr losgelassen hatte.
    Eine Entschuldigung? Eine Entschuldigung für den gewaltsamen Tod, den Elisabeth in ferner Zukunft gestorben war, als sie noch Beth MacKinsey geheißen hatte?
    Verzeih Uruk!
    »Ich wünsche dir alles Glück bei deinem Wagnis!« hatte Tobias gesagt.
    Er hatte gewußt, wovon er redete. Denn er war dabei gewesen, als Elisabeth Stifter vor dem Tunnel gestanden hatte, durch den sie hatte schreiten wollen, um wieder Beth MacKinsey zu werden. Damals, im selben Jahr, als der gehörnte Zyklop, das flüchtige, wandelbare TIER, das die Hölle entsandt hatte, vom Orden der Illuminaten in London zur Strecke gebracht worden war: 1666. 1 Das Jahr, in dem Elisabeth ihrem Mann versprochen hatte, seinen Weg bis zum Ende mitzugehen - mochte er auch noch so bitter werden -, bevor sie ihren Weg zurück in eine ungewisse Zukunft dereinst einmal wagen wollte .
    »Er ist sicher angekommen. Ich habe ihn geleitet, bis er die richtige Pforte passierte«, sagte eine unerschütterliche Stimme, als die knabenhaft schlanke Frau, deren blondes Haar bis auf die kleinen, unter einem schlichten Kleid verborgenen Brüste fiel, aus der Tür der Unterkunft auf den Klostergang hinaustrat. »Das wollte ich dich nur wissen lassen .«
    Elisabeth Stifter hielt inne.
    Die Aura des Mannes, der vor der Tür auf sie gewartet hatte, war ihr unangenehm. Sie kannte ihn, seit sie Tobias kannte. Aber die Nähe dieses Wesens, das - mochte das Auge es auch noch so bereitwillig glauben - kein Mensch war, sondern ein gestaltgewordener Engel, legte sich immer noch wie ein bleiernes Gewicht auf ihre Schultern.
    »Salvat ...«
    Das Wesen, dessen Schwert die Inkarnation Luzifers über der Pest-grube zu London durchbohrt und ausgelöscht hatte, lächelte milde.
    »Was willst du?« Elisabeth zog ihren Kopf zwischen die Schultern, als würde das Lächeln sie zum Frieren bringen.
    »Mit dir reden.«
    »Jetzt? Er hat gerade die Augen zugemacht .«
    »Ich weiß. Deshalb will ich ja mit dir reden.«
    »Worüber?« Ihre Haltung war pure Abwehr. Pure . Abneigung.
    Tobias war tot. Sie mußte sich nicht mehr verstellen. Sie mußte das, was in ihr pochte und rumorte, nicht länger ganz und gar verleugnen.
    »Warum bist du so feindselig?«
    »Bin ich das?«
    »Ja.«
    »Und das wundert dich?«
    »Sagen wir, es macht mich traurig.«
    »O ja, ich verstehe!« Elisabeth kniff die Lippen zusammen. Sie schloß kurz die Augen und rief
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