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Die Reise nach Uruk

Die Reise nach Uruk

Titel: Die Reise nach Uruk
Autoren: Vampira VA
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sich in Erinnerung, daß Salvat keine nachweisbare Schuld daran traf, was sie den anderen Bewohnern des Klosters ankreidete. Er hatte nie ein Wort darüber verloren, sie nie in einer Weise angeblickt, als unterstellte er ihr ein Verbrechen. Wahrscheinlich geschah es vollkommen unbewußt, daß sich ihre Frustration ausgerechnet an ihm festbiß.
    »Wir sollten nicht hier auf dem Gang darüber reden«, sagte er. »Gehen wir an einen Ort, wo uns niemand stört.«
    Die Ablehnung des Angebots lag Elisabeth auf der Zunge. Warum sie letztlich doch einwilligte und Salvat zögerlich folgte, hätte sie selbst nicht zu sagen vermocht. Vielleicht war Tobias' Bild noch zu gegenwärtig in ihr. Und die Gefühle, die sie in den Minuten stiller Andacht neben seinem Leichnam durchlebt hatte.
    Salvat führte sie in Bereiche des Monte Cargano, die sie noch nie betreten hatte.
    Er führte sie in die Tiefen des Berges, auf denen das Kloster erbaut war.
    Elisabeth kannte das Labyrinth vom Hörensagen. Tobias hatte darüber gesprochen. Das Zentrum des Systems unterirdischer Gänge war geheimnisumwoben. Selbst die Illuminaten, die es aufsuchten, weil Salvat es ihnen befahl, schienen sich über den letztendlichen Sinn ihres Aufenthalts, der sich manchmal über Tage erstreckte, ehe sie von einer anderen Gruppe abgelöst wurden, im unklaren zu sein.
    Um so erstaunter war Elisabeth, als sie feststellte, daß Salvat sie geradewegs in die Innere Halle führte, wie das Zentrum im Berg auch genannt wurde.
    »Warum tust du das?« fragte sie.
    »Was?«
    »Mir zeigen, was sonst nur Angehörigen deines Ordens vorbehalten ist.«
    »Du bist eine Angehörige meines Ordens«, sagte Salvat ruhig. »Es ist nur schade, daß du selbst das nicht akzeptieren willst.«
    »Ich bin keine von euch!« widersprach Elisabeth heftig. »Ich bin gelitten, nicht willkommen - und auch dieses Dulden wird sich sehr schnell ändern, wenn sich die Kunde von Tobias' Tod verbreitet ...«
    »Du hast keinen Grund, so verbittert zu sein.« Salvat blieb in der Mitte eines einzigartigen Raumes stehen. Einer Höhle, deren grandiose Atmosphäre schon von dem Wissen geprägt wurde, daß sie nicht natürlich entstanden war, sondern dem Berg mit unbekannten Mitteln abgetrotzt wurde. Keine Menschenhand hatte das granitene Gewölbe erschaffen. Andere, abseitige Kräfte waren am Werk gewesen.
    Das zweite prägende Element für die fast greifbare Spannung, die über diesem Ort lag, war das Tor. Das eherne Tor, über dessen Bedeutung auch Tobias in manchem Gespräch gerätselt hatte - vielleicht wußte nur Salvat, was dahinter lag. Und warum es nie im Beisein eines Illuminaten geöffnet wurde .
    Wird es überhaupt je geöffnet?
    Unwillkürlich blitzte die Frage in Elisabeth auf, während ihr Blick über das Gebilde wanderte, dessen Ausstrahlung ihr absurderweise willkommener schien als Salvats Nähe. Dieses nicht in Worte zu fassende Charisma erinnerte sie an die eigenen Untiefen. An das Un-auslotbare, das in ihr gierte, seit sie sich vor 86 Jahren außerhalb der Prager Stadtmauern wiedergefunden hatte - als erinnerungsloses Wrack . als Monstrum, das jedem den Tod einbrachte, der sich in seine Nähe wagte .. . 2
    »Ich dachte«, sagte Elisabeth, »wir wollten an einem ungestörten Ort sprechen .«
    Im Hintergrund der Halle standen Mitglieder des Ordens. Ihre Gesichter lagen im Schatten von Kapuzen. Sie rührten sich nicht vom Fleck, wirkten, als wären sie in einem völlig in sich gekehrten Zustand erstarrt.
    »Hier sind wir ungestört«, sagte Salvat, der ihren Blick bemerkte. »Die Wächter schenken uns keine Beachtung. Ihre Aufmerksamkeit ist auf etwas anderes gerichtet.«
    »Wächter?«
    Salvat trug einen Umhang, der aus ähnlichem Stoff gefertigt schien wie die Kutten der Illuminaten. Ein einziges Mal, in der Heiliggeistkirche zu Heidelberg, hatte Elisabeth ihn entblößt, ohne jedes Kleidungsstück gesehen - ein unvergeßliches Erlebnis. Denn im Zusammenprall mit dem personifizierten Bösen hatte Salvat einen Teil seiner menschlichen Maske fallen lassen. Dabei war etwas zum Vorschein gekommen, das entfernt an Flügel erinnerte. Flügel, die sich als fürchterliche Waffe entpuppt hatten!
    Was in der Heiliggeistkirche aus seinen Schulterblättern hervorgesprossen und die Schwerkraft um Salvat herum verändert hatte, waren keine gefiederten Schwingen wie auf den Gemälden begnadeter Maler gewesen, sondern hatte eher Ähnlichkeit mit einem Geflecht aus zuckenden, ineinander verschlungenen
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