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Die Reise Nach Petuschki

Titel: Die Reise Nach Petuschki
Autoren: Wenedikt Jerofejew
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erklingt eine Schalmei. Ist es nicht so?«
    »Nun, wie soll man das erklären«, sage ich, den Kopf nach rechts geneigt. »Das Köfferchen ist wirklich sehr schwer. Und was die Schalmei betrifft, so ist es noch zu früh...«
    »Nun sag schon, Wenitschka, was hast du gekauft? Es interessiert uns schrecklich.«
    »Aber ich verstehe doch, daß es euch interessiert. Gleich, gleich zähle ich es auf: erstens zwei Flaschen Kubanskaja zu je zwei zweiundsechzig, macht fünf vierundzwanzig. Weiter: zwei Viertel Rossijskaja zu je einem Rubel vierundsechzig, macht fünf vierundzwanzig plus drei achtundzwanzig. Acht Rubel und zweiundfünfzig Kopeken. Und noch so einen Roten. Gleich sag ich's euch. Ja — einen hochprozentigen Rose für einen Rubel siebenunddreißig.«
    »So, so, so«, sagt ihr, »und die Endsumme? Das ist nämlich alles schrecklich interessant...«
    »Gleich sage ich euch die Endsumme.«
    »Die Endsumme ist neun Rubel neunundachtzig Kopeken«, sage ich, während ich den Bahnsteig betrete. »Allerdings noch nicht ganz. Ich habe nämlich noch zwei belegte Brote gekauft, um nicht kotzen zu müssen.«
    »Du wolltest sagen, Wenitschka: ›damit mir nicht schlecht wird‹?!«
    »Nein, was ich gesagt habe, hab ich gesagt. Die erste Dosis vertrage ich nicht ohne belegtes Brot, sonst muß ich kotzen. Aber die zweite und dritte, die kann ich pur trinken, weil mir zwar schlecht davon werden kann, aber kotzen tu ich auf keinen Fall mehr. Und so geht's bis zur neunten. An dieser Stelle wird wieder ein belegtes Brot fällig.«
    »Warum? Wird dir wieder schlecht?«
    »Aber nicht doch. Schlecht wird mir auf keinen Fall mehr, es könnte nur sein, daß ich kotzen muß.«
    Ihr alle schüttelt natürlich nur so die Köpfe. Ich sehe es sogar von hier, vom nassen Bahnsteig, wie ihr alle, verstreut auf meinem Planeten, die Köpfe schüttelt und anfangt zu spötteln: »Wie diffizil das alles ist, Wenitschka, wie feinsinnig!«
    »Und ob.«
    »Wie exakt gedacht! Und ist das alles?! Ist das alles, was du brauchst, um glücklich zu sein? Und sonst nichts?« »Was heißt denn hier sonst nichts?« sage ich, während ich ins Abteil hineingehe. »Hätte ich mehr Geld, hätte ich noch Bier und ein paar Portweine genommen, aber so...«
    Jetzt ist es ganz aus bei euch.
    »O-o-o-o Wenitschka!« stöhnt ihr, »o-o-o du Primitivling!«
    »Na, und wenn schon. Meinetwegen Primitivling«, sage ich. »Und hiermit höre ich auf, mit euch zu reden. Meinetwegen Primitivling! Ich antworte nicht mehr auf eure Fragen. Ich setze mich lieber hin, drücke mein Köfferchen ans Herz und schau ein bißchen aus dem Fenster. So. Meinetwegen Primitivling!«
    Aber ihr laßt nicht locker:
    »Was ist denn? Bist du beleidigt?«
    »Ach was«, antworte ich.
    »Sei nicht gekränkt, wir wollen nur dein Bestes. Aber warum drückst du bloß dauernd deinen Koffer ans Herz, du Trottel? Etwa weil Wodka drin ist?«
    »Jetzt bin ich aber wirklich beleidigt. Was hat das denn mit dem Wodka zu tun?«
    »Bürger Passagiere, unser Zug fährt ab nach Petuschki. Wir halten in Hammer-und-Sichel, Tschuchlinka, Reutowo, Shelesnodoroshnaja, danach in allen Ortschaften, außer Jessino.«
    »Wirklich, was hat denn das mit dem Wodka zu tun? Was habt ihr bloß mit eurem Wodka? Wenn ihr so wollt, habe ich das Köfferchen schließlich auch im Restaurant ans Herz gedrückt, und da war noch kein Wodka drin. Und im Treppenhaus, wenn ihr euch erinnert, habe ich es auch gedrückt, und da hat es nicht einmal nach Wodka gerochen! ... Aber wenn ihr alles wissen wollt, dann kann ich es euch erzählen, wartet nur ab. Laßt mich erst einmal meinen Kater hinunterspülen in Hammer-und-Sichel, dann...

Moskau — Hammer-und-Sichel
    ... dann erzähle ich euch alles. Geduldet euch noch ein wenig. Ich gedulde mich schließlich auch!«
    Natürlich halten die mich alle für einen miesen Typ. Morgens und immer dann, wenn der Rausch nachläßt, bin ich ja der gleichen Meinung. Aber man kann ja schließlich auf die Meinung eines Menschen nichts geben, der noch nicht dazu gekommen ist, sich den Kopf klarzutrinken. Aber dafür an den Abenden — welche Abgründe sind da in mir! —, vorausgesetzt natürlich, daß ich mich im Laufe des Tages habe ordentlich vollauf en lassen — welche Abgründe sind in mir an den Abenden!
    Aber meinetwegen. Meinetwegen, bin ich eben ein mieser Typ. Ich stelle überhaupt immer wieder eines fest: Wenn der Mensch sich morgens elend fühlt und abends voller Ideen, Phantasien und Aktivitäten
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