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Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki
Autoren: Christiane Gibiec
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könnte«, sagte er oft, »so einen
begabten Kürschner habe ich noch nie kennen gelernt.«
    Die Nachfrage stieg, und mit den
Jahren kamen noch zwei weitere Kürschner und sieben Nähmädchen
dazu. Aufgrund des Direktimportes aus Finnland konnte Pekka die
Preise günstig halten, und bald verbreitete sich der Ruf des
Geschäftes weit über die Grenzen des Bergischen Landes
hinaus.
    Jedes Jahr im Herbst trafen riesige
Kisten mit Fellen aus Helsinki ein, und immer schickte Carl
Soderberg finnische Spezialitäten mit, gesalzene Butter,
Roggenbrot, Konserven mit rotem Fischrogen und süßen Fischhäppchen,
vor denen Emma sich ekelte und auf die Pekka, Anna und Louise sich
voller Wonne stürzten. Am meisten liebte Anna die korvapuusti, die
Ohrfeigen, wie Pekka übersetzte, ein süßes, saftiges Gebäck aus
Hefeteig, Butter, Zucker und Zimt. Für Pekka lagen immer einige
sorgfältig verpackte Flaschen mit pirtu, dem selbst gebrannten
finnischen Schnaps, dabei, die er liebevoll streichelte und an den
Samstagnachmittagen, wenn die Wochenarbeit geschafft war, zusammen
mit Elias Schlipköter austrank. Als das Grammophon erfunden war,
schickte Soderberg auch Schallplatten mit finnischen Polkas, Tangos
und den neuesten Werken von Jean Sibelius mit, die Pekka laut hörte
und weinend mitsang. Einmal kam Carl Soderberg selbst nach
Elberfeld. Anna erinnerte sich gut an sein freundliches, schmales
Gesicht mit den braunen Augen, die immer ein wenig traurig guckten,
und an die Bedächtigkeit und Sorgfalt, mit der er in nahezu
perfektem Deutsch mit ihr sprach.
    Nachdem Pekka in das Geschäft
eingestiegen war und sich einen Überblick verschafft hatte, stellte
er fest, dass es maßlos überschuldet war und samt dem Wohnhaus
eigentlich dem Elberfelder Bankhaus Von der Heydt, Kersten &
Söhne gehörte. Louise und Emma fielen aus allen Wolken, als er
ihnen eröffnete, dass sie im Prinzip bankrott seien. Ihr Vater
Josua Brüninghaus war, was sie nicht wussten, ein Spieler gewesen
und hatte seine gesamte Existenz in der Spielbank von Baden-Baden
gelassen, wohin er regelmäßig zur Kur gefahren war.
    Pekka sorgte innerhalb von zwei
Jahren für einen geschäftlichen Aufschwung und verdiente so viel
Geld, dass er zum Neumarkt in das prächtige, nach französischem
Vorbild erbaute Bankhaus gehen und sämtliche Schulden tilgen
konnte. Vorher vereinbarte er allerdings einen Notartermin mit
seiner schwangeren Frau Emma und ihrer Schwester Louise, bei dem er
das Haus auf sich überschreiben ließ und aus dem
Posamentierwarenhandel Brüninghaus den Pelzhandel Salander machte.
Diesen Schritt, der unmittelbar nach der Hochzeit erfolgte, verzieh
Emma ihm nie. Immer wieder lamentierte sie, Pekka habe ihr und
Louise das Elternhaus genommen und sie beide regelrecht versklavt.
»Wir haben doch gar keine andere Wahl, als uns zu unterwerfen, kein
Nagel gehört mehr uns, kein Stein von dem Haus unserer Eltern, in
dem wir aufgewachsen sind.« Dabei überging sie, dass Pekka kurz
nach der Hochzeit den Neubau des Hauses in Auftrag gegeben hatte
und den Kredit dafür komplett allein finanzierte. Sie räumten das
Brüninghaus'sche Fachwerkhaus und quartierten sich für ein Jahr
behelfsmäßig in der Nachbarschaft ein, bis sie in das größte und
prächtigste Jugendstilgebäude am Wall einziehen konnten. Louise
beteiligte sich nicht an Emmas Vorwürfen, sie diente Pekka in
stiller Ergebenheit und stand von morgens bis abends im Laden,
stets bestrebt, ihm alles so recht wie möglich zu machen und
zwischen ihm und ihrer Schwester zu vermitteln. »Lass, Emmachen«,
sagte sie nur manchmal, »das ist der Lauf der Welt, gegen so was
ist man doch
machtlos.«          
    Pekka zog sich Emmas Vorwürfe nicht
an. »Besser, das Haus gehört mir als dem Herrn von der Heydt«,
sagte er nur, wenn sie gar nicht locker ließ, »sonst säßet ihr
nämlich schon längst in einer Mietwohnung oder als
Gesellschafterinnen im Briller Viertel, aber nicht in der Beletage,
sondern in der Dachkammer. Da habe ich mir überhaupt nichts
vorzuwerfen. Außerdem erbt Anna sowieso alles, es bleibt in der
Familie.«
    »Sie würde mich von oben herab
behandeln, kulta, wenn ich nicht die Macht über das Geld hätte«, sagte er zu
Anna. »Sie kann alles von mir haben, niemand soll sagen, Pekka
Salander sei geizig, aber gehören muss es mir, sonst würde sie mich
behandeln wie einen Waldfinnen, der letzte Dummkopf wäre ich für
sie.«
    In der Tat ließ Emma sich oft
ausgesprochen abfällig über
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