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Die Reise ins Licht

Die Reise ins Licht

Titel: Die Reise ins Licht
Autoren: Andrej Djakow
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da. Der Junge blickte sich um.
    Tarans Atem ging nun gleichmäßiger und die verkrampften Muskeln lockerten sich allmählich. Nach fünf Minuten gespannten Wartens stand der Stalker auf, nahm Gleb das Gewehr aus der Hand und schob ihn zur Treppe.
    Die Weggefährten kletterten an den rostigen Metallbügeln des Schachts nach oben und stiegen durch eine weitere Luke. Gleb wagte es nicht, den Stalker nach dem plötzlichen Anfall zu fragen, und später sollte er dazu keine Gelegenheit mehr haben. Ein Kippschalter klickte und ringsherum gingen Lampen an. Vor seinen Augen lag ein Raum von beeindruckender Größe. Was es hier nicht alles gab!
    Die eine Wand war mit Doppelstockbetten zugestellt, auf denen sich allerlei Trödel stapelte. Entlang der anderen standen Fässer, Kanister, ein paar schwere Maschinen sowie eine lange Werkbank mit einem Berg von Werkzeug. Weiter hinten erblickte Gleb gleichmäßige Reihen von Konservendosen unterschiedlichster Art. Bis jetzt hatte er gedacht, das Wort »Konserven« bedeute Dosenfleisch. Umso
größer war seine Verwunderung, als er die Bezeichnungen auf den Etiketten entzifferte.
    »Such dir was aus … zum Futtern«, bemerkte Taran kurz angebunden und verschwand im Inneren der Behausung. »Und mir auch was.«
    »Pfir-si-che«, las Gleb langsam. Auf dem ausgeblichenen Etikett schimmerte etwas Unbekanntes, Gelbes. Der Junge nahm sich eines dieser Wunderdinger und dazu noch ein paar Dosen mit der vertrauten Abbildung eines Rinderkopfs. Dann betrat er den nächsten Raum. Der Stalker hatte hier seine Küche.
    Bald schon knisterten Holzscheite im Ofen und in einem gusseisernen Topf brodelte heißes Wasser.
    Gleb setzte sich vorsichtig auf den wackeligen Hocker in der Ecke und lehnte sich an die raue Wand. Die Anspannung des Tages machte sich nun bemerkbar. Er nickte ein.
    Dieses Mal träumte er von seinem Vater. Groß, schlank und immer frisch rasiert. Selbst wenn er von der Nachtschicht kam, nahm er sich als Allererstes eine Spiegelscherbe und das Rasiermesser und ging zu den Waschbecken. So war er Gleb in Erinnerung geblieben.
    Als sich Vater und Mutter an jenem denkwürdigen Tag mit dem Treck zur Sennaja aufmachten, hätte es sich der Junge nicht träumen lassen, dass er seine Eltern das letzte Mal sah. An diesem Tag kehrte niemand zur Moskowskaja zurück. Erst einige Tage später erreichte die Station die Nachricht: Banditen aus dem Imperium der Veganer hatten die Marktstände an der Sennaja überfallen. Die Kolonisten von Vegan, die die grüne Linie der Metro besiedelten,
hatten ursprünglich ein neues ökologisches System in der Metro einführen wollen, um eins zu werden mit der Natur. Man erzählte sich sogar, sie seien gar keine richtigen Menschen mehr. Vor allem aber waren sie für ihre Grausamkeit berüchtigt. Palytsch war der Einzige, der es zur Station zurückschaffte und von dem furchtbaren Gemetzel berichtete.
    Ein scharfes, metallisches Geräusch riss Gleb aus seinen Träumen. Taran war gerade dabei, mit einem Fallschirmjägermesser geschickt die beiden Fleischdosen zu öffnen. Dann schüttete er ihren Inhalt in den Topf mit dem dampfenden Brei. Sorgfältig rührte er das einfache Gericht mit dem riesigen Messer um, warf zwei Aluminiumlöffel hinein und schob den Topf zu dem Jungen hin.
    »Hau rein. Buchweizengrütze kennst du wohl nicht? Vor der Katastrophe waren die Läden voll damit.«
    Der Junge schaute den Stalker vorsichtig von der Seite an. Taran nahm einen Löffel Brei und begann ungerührt zu kauen. Von dem Duft des einfachen, kräftigen Essens angeregt, schloss sich Gleb dem Mahl unverzüglich an. Er hatte früher schon einmal Grütze gegessen. Allerdings waren die Buchweizengraupen, die sie bei den »Stummeln« gegen Holz getauscht hatten, nicht annähernd so gut gewesen wie dieses herrliche Gericht.
    Danach kamen die rätselhaften »Pfir-si-che« an die Reihe. Gleb begriff auf einmal, dass Essen nicht nur den Hunger stillen, sondern auch unbeschreiblichen Genuss bereiten konnte. Der Junge kniff lustvoll die Augen zusammen und verschlang den Inhalt der Dose auf einen Sitz. Dafür hatten sich die Mühen des vergangenen Tages gelohnt.

    Gleb überwand seine Schüchternheit und brachte ein »Danke« über seine Lippen.
    »Räum das hier auf, aber fass sonst nichts an.« Der Stalker ergriff sein Gewehr. »Ich muss nochmal kurz weg.«
    Satt und müde entschloss sich Gleb zu fragen: »Geht es Ihnen wieder besser?«
    Taran blieb im Gang stehen und blickte den Jungen
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