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Die Reise ins Licht

Die Reise ins Licht

Titel: Die Reise ins Licht
Autoren: Andrej Djakow
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Nikanor blickte den versteinerten Gleb
an und schaute schnell wieder weg. »So viel, wie der Junge wiegt. Basta!«
    An die weiteren Ereignisse erinnerte sich Gleb nur verschwommen, wie durch einen Nebel. Tränen brannten in seinen Augen: Tränen der Kränkung und der Angst. Fragmente, eines absurder als das andere, zogen wie in einem Stummfilm an ihm vorüber. Der alte Palytsch rannte empört zwischen Nikanor und dem Masuten hin und her, wobei er mal den einen, mal den anderen zornig anherrschte. Das Nachbarmädchen Nata heulte in den Armen der Mutter und schaute Gleb angsterfüllt an. Nikanor besprach mit gesenktem Blick die Details der Abmachung mit den Masuten. Dann baute sich die Gestalt des Stalkers vor dem Jungen auf:
    »Du hast alles gehört, Junge. Deine Mitbewohner sind Dreck, die Luft hier ist Dreck, und deine Arbeit, wie ich gehört habe, ist auch der reinste Dreck. Viel ist hier nicht zu holen. Gehen wir.«
    Gleb wischte sich die Tränen mit dem abgewetzten Ärmel ab, warf einen letzten Blick auf die Gewölbe seiner Station und folgte Taran mit schweren Schritten. Tief im Innern spürte er, dass er nie wieder zu seinem früheren Leben zurückkehren würde.

2
JAGDUNTERRICHT
    Die Weggefährten passierten die Patrouille und betraten den schwarzen Schlund des Tunnels. Das behagliche Halbdunkel der Station blieb hinter ihnen zurück. Taran knipste die Lampe an, und ein heller Lichtstrahl durchschnitt die Finsternis. Gleb musste unwillkürlich blinzeln. Dieses Licht war wesentlich heller als das der Lampen von der Moskowskaja . Mit sicheren Schritten begann der Stalker die Bahnschwellen entlangzugehen. Gleb trippelte hinterher und musterte vorsichtig die Einzelheiten der Umgebung, die in den Lichtkegel gerieten: die Rohrleitungen, aus denen Feuchtigkeit sickerte, das verschimmelnde Kabelgeflecht, die rostige Bewehrung der rissigen Wände. Die Weggefährten sprachen kein Wort, doch die Stille war trügerisch. Durch das gleichmäßige Fallen der Wassertropfen und das kaum vernehmbare Heulen des Luftzugs im Tunnel drangen bisweilen entfernte Geräusche, deren Natur Gleb nicht bestimmen konnte. Ihm wurde unheimlich. Er war zum ersten Mal im Tunnel, und das war kein angenehmes Gefühl.
    Weiter vorn war eine niedrige Seitenstrecke zu erkennen, mit kleinen Stufen, die irgendwohin in die Dunkelheit
führten. Gleb wäre gern so schnell wie möglich daran vorbeigelaufen, doch der Stalker führte ihn geradewegs dort hinein. Die Stufen waren unerwartet schnell zu Ende. Sie liefen einige Meter durch einen engen Gang und betraten dann eine schmale Kammer, die mit allerlei Gerümpel vollgestopft war. Taran wühlte Trödel und Kabelrollen zur Seite, legte einen schweren Bügel frei und zog daran. Scheppernd öffnete sich eine Luke. Ein kurzer Abstieg durch einen vertikalen Schacht führte zu einem weiteren Korridor, dessen Ende sich irgendwo in der Ferne verlor.
    »Schneller.« Der Stalker begann energischer auszuschreiten, seine Atmung beschleunigte sich.
    Sie passierten eine Weggabelung, und plötzlich ging Taran in Laufschritt über. Vor ihnen tauchte ein weiterer vertikaler Schacht auf, der nach oben führte.
    »Schneller!«
    Panisch starrte der Junge in die Finsternis des Tunnels hinter ihnen. Vor wem liefen sie weg? Warum floh der bewaffnete Stalker vor diesem Jemand – oder Etwas – wie der Teufel vor dem Weihwasser? Ein paar Meter vor der Treppe taumelte Taran plötzlich und fiel zu Boden. Sein Gesicht verzerrte sich und sein Körper wurde von heftigen Krämpfen geschüttelt.
    Gleb erstarrte ratlos. Da hatte er den Salat! Der furchterregende Kämpfer lag gekrümmt wie ein Embryo zu seinen Füßen, winselte leise und zitterte am ganzen Körper. Taran biss sich auf die Lippen und öffnete ungelenk seine Patronentasche. Ein unansehnliches Futteral fiel heraus und kippte seinen Inhalt auf den Beton. Ein paar Spritzen mit einer trüben Flüssigkeit … Der Junge ergriff eine von ihnen
und reichte sie hastig dem Stalker. Mit zitternden Händen entriss der ihm die Spritze und versetzte seinem Sturmgewehr einen Fußtritt, dass es über den Boden schlitterte und gegen Glebs Schuhe prallte.
    »Halte … den Durchgang …«, presste der Stalker heraus und rammte sich mit steifen Fingern die Spritze in den Oberarm.
    Gleb hob das Gewehr vorsichtig auf und zielte in die Tiefe des Korridors. Mann, war das ein schweres Teil. Sein Finger ertastete den Abzug. Mit der Waffe in der Hand wurde er etwas ruhiger.
    Der Stalker lag reglos
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