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Die Reise ins Licht

Die Reise ins Licht

Titel: Die Reise ins Licht
Autoren: Andrej Djakow
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ihn. Auf dem polierten Feuerzeug
war deutlich das Relief eines zweiköpfigen Adlers zu erkennen. Manchmal, freilich nur sehr selten, erlaubte sich Gleb sogar, an dem Zündrädchen zu drehen. Dann beobachtete er entzückt die flackernde Feuerzunge. Sein Vater hatte gesagt, dass er mit dem Feuerzeug sparsam umgehen müsse, und Gleb hatte sich das fest eingeprägt. All die Jahre, die seit dem Tod seiner Eltern vergangen waren, hatte sich der Junge keinen Augenblick von diesem schönen metallenen Schmuckstück getrennt. Es war die einzige Erinnerung an seine verlorene Familie. Und das Zippo funktionierte noch immer, wenn auch mit jedem Mal schlechter, und deshalb zündete es Gleb immer seltener an. »Der heimatliche Herd.« Der Junge begriff nur dunkel, was dieser Ausdruck bedeutete, glaubte aber fest daran, dass er nun der Hüter eben dieses heimatlichen Herdes war und dass seine Eltern, solange die Flamme des Feuerzeugs noch schwach erglomm, immer irgendwo in der Nähe sein würden.
    Gleb merkte nicht, wie ihn der Schlaf übermannte.
    Das Zauberfeuerzeug sprang an. Aus der Dunkelheit erschien ein Gesicht. Es war ihm so vertraut. Diese leicht zusammengekniffenen Augen und die widerspenstigen, herrlich duftenden Locken. Mutter …
    Ein heftiger Ruck an der Hand riss den Jungen aus seinem Halbschlaf. Gleb sah auf und erblickte den feisten Procha, der an der Station als Schlägertyp und Intrigant bekannt war. Procha drehte das Feuerzeug in seinen dicken Fingern und betrachtete die Beute. Etwas weiter entfernt hatten sich drei schmutzige Kerle – sein Gefolge – postiert und verfolgten mit dreckigem Grinsen, was ihr Anführer machte.

    »Seht euch das an«, bemerkte der Dickwanst zufrieden und zeigte die Trophäe seinen Kameraden.
    »Gib her!« Gleb sprang auf die Beine und starrte seinen Widersacher wütend an. »Das gehört mir!«
    »Hol es dir doch!« Der Dicke grinste tückisch und hielt sich das Feuerzeug über den Kopf.
    Gleb sprang um ihn herum und versuchte es zu erwischen. Die Kerle begannen zu feixen. Der Dicke war um einen Kopf größer als Gleb und etwa doppelt so breit. Gleb hatte keine Chance. Procha grinste zufrieden, und man konnte seine fauligen Zähne sehen.
    »Gib schon her«, jammerte Gleb verzweifelt. »Das ist ein Geschenk von meinem Vater. Gib es mir sofort zurück!«
    Der Dicke, des Spiels überdrüssig, rammte ihm seine feiste Faust ins Gesicht, so dass Gleb unsanft auf dem Betonboden landete. Er blutete aus der Nase und war den Tränen nahe. Verzweiflung und Kränkung überkamen ihn mit solcher Wucht, dass er auf der Stelle verschwinden wollte. Versinken. Diesen schrecklichen Ort verlassen. Um wieder mit seinen Eltern zusammen zu sein.
     
     
    »Steh auf und wisch dir den Rotz ab!«
    Gleb erschauerte beim Klang der unerwarteten, scharfen Worte. Im nächsten Augenblick begriff er, dass er die grobe Männerstimme schon einmal, erst vor kurzem, gehört hatte.
    Verstört drehte er sich um.
    Vor ihm stand der riesige, fremde Stalker. Anscheinend hatte er die ganze Zeit daneben gestanden und die demütigende Szene mitverfolgt. Gleb wagte es nicht, sich seinem
Befehl zu widersetzen, und sprang wie von einer Tarantel gestochen auf.
    Wie hatten sie ihn genannt? Taran, Rammbock.
    »Wovor hast du mehr Angst: dass du eins auf die Fresse kriegst, oder dass du dein Spielzeug verlierst?« Tarans grimmiger Blick bohrte sich in Gleb, so dass der Junge sich nicht traute wegzuschauen. »Das ist dein Eigentum. Es gehört nur dir, keinem anderen .«
    Der Stalker stieß diese harten Sätze hervor, als würde er sie mit einem Beil abhacken. Mit jedem Wort aber, das er sprach, kochte in Gleb anstelle der eben noch empfundenen Verzweiflung und Angst erbitterte Entschlossenheit hoch. Seine Hände ballten sich wie von selbst zur Faust. Im nächsten Augenblick schon sprang der Junge auf den Dicken zu und fletschte wie ein Raubtier die Zähne. Sein Körper reagierte ganz instinktiv. Mit beiden Händen krallte der Junge sich an den fetten Haaren seines Widersachers fest und stieß ihm mit aller Kraft seine Stirn ins Gesicht. Der Dickwanst wankte rückwärts, hielt sich mit den Händen den aufgeschlagenen Mund und heulte laut auf. Das Feuerzeug fiel auf den Bahnsteig. Gleb hob es auf und starrte Prochas Gefolgschaft hasserfüllt an: Hatte es noch jemand auf seinen Schatz abgesehen? Die Kameraden des Dicken wollten sich jedoch nicht mit ihm anlegen. Kurz darauf war von ihnen nichts mehr zu sehen.
    Der Stalker verfolgte
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