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Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante

Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante

Titel: Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante
Autoren: Stephan Puchner
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wenigsten erwartet. Der Elefant bewegte sich gemessenen Schrittes vorwärts, ohne Eile, als wüsste er, dass man, um anzukommen, nicht immer laufen muss. Da riss sich auf einmal ein fünfjähriges Mädchen, das Alter erfuhr man allerdings erst hinterher, das mit seinen Eltern dem Umzug beiwohnte, von der Hand der Mutter los und lief auf den Elefanten zu. Ein Schreckensschrei erscholl aus den Kehlen derer, welche die drohende Katastrophe kommen sahen, die Beine des Tieres, die den kleinen Körper umstoßen und zertrampeln würden, die Rückkehr des Erzherzogs, überschattet von einem Unglück, einem Trauerfall, was für ein schrecklicher Blutfleck auf dem Wappen der Stadt. Doch sie kannten Salomon schlecht. Er umfing den Körper des Mädchens mit seinem Rüssel, als wollte er es umarmen, und hob es in die Lüfte wie eine neuartige Fahne, nämlich die eines im letzten Augenblick geretteten, bereits verloren geglaubten Lebens. Die Eltern des Mädchens liefen weinend auf Salomon zu und schlossen das ins Leben zurückgeholte Kind unter dem jubelnden Beifall der Menschen, von denen nicht wenige in Tränen ausbrachen, in die Arme, es hieß, ein Wunder sei geschehen, und dabei wussten sie doch gar nichts von dem, welches Salomon in Padua vollbracht hatte, als er sich am Eingang der Basilika des heiligen Antonius niederkniete. Als fehlte immer noch etwas zum Abschluss dieses dramatischen Ereignisses, sah man nun, wie der Erzherzog aus der Kutsche stieg, der Erzherzogin die Hand reichte und ihr beim Aussteigen behilflich war, wonach sie gemeinsam, Hand in Hand, auf den Elefanten zugingen, den die Menschen noch immer umringten und als Helden des Tages feierten, der er jedoch noch viel länger sein würde, denn die Geschichte des Elefanten, der ein Mädchen vor dem sicheren Tod rettete, wurde bis zum heutigen Tag bestimmt tausendmal erzählt und ebenso oft ausgeschmückt. Als die Menschen gewahr wurden, dass das Erzherzogspaar sich näherte, verstummten sie und bildeten eine Gasse. Rührung zeichnete sich auf vielen Gesichtern ab, manche wischten sogar mühsam die letzten Tränen weg. Fritz war vom Elefanten abgestiegen und wartete. Der Erzherzog blieb vor ihm stehen und sah ihm in die Augen. Fritz senkte den Kopf und erblickte vor sich die rechte, abwartend dargereichte Hand des Erzherzogs, Mein Gebieter, das wage ich nicht, sagte er und zeigte seine eigenen Hände, schmutzig vom beständigen Kontakt mit der Elefantenhaut, die dennoch die sauberere von beiden war, da Fritz bereits nicht mehr wusste, was ein Vollbad war, Soliman hingegen an keiner Wasserpfütze vorbeikam, ohne darin zu planschen. Da der Erzherzog seine Hand nicht zurückzog, blieb Fritz nichts anderes übrig, als sie mit der seinen zu ergreifen, die dicke, schwielige Haut eines Mahuts und die feine, zarte Haut eines Menschen, der sich nicht einmal eigenhändig ankleidete. Da sagte der Erzherzog, Ich danke dir,dass du eine Tragödie verhindert hast, Ich habe nichts gemacht, mein Gebieter, die Verdienste liegen ganz bei Soliman, Das mag schon sein, aber ich glaube, irgendwie hast auch du dazu beigetragen, Ich habe getan, was ich konnte, mein Herr, dafür bin ich Mahut, Wenn alle Leute tun würden, was sie können, wäre die Welt mit Sicherheit besser, Wenn Eure Königliche Hoheit dies sagen, wird es so sein, Ich habe dir bereits vergeben, du brauchst mir nicht zu schmeicheln, Danke, mein Gebieter, Sei herzlich willkommen in Wien, möge Wien dich verdienen, dich und Soliman, möget ihr glücklich werden. Und mit diesen Worten kehrte Maximilian der Zweite, die Erzherzogin an der Hand führend, zu seiner Kutsche zurück. Die Tochter Karls des Fünften ist bereits wieder schwanger.

D er Elefant starb knapp zwei Jahre später, erneut im Winter, im letzten Monat des Jahres fünfzehnhundertdreiundfünfzig. Der Grund für seinen Tod wurde nie herausgefunden, es war noch nicht die Zeit der Blutanalysen, Röntgenbilder, Endoskopien, Magnetresonanztomographien und anderer Untersuchungen, die heute der Menschen täglich Brot sind, wenngleich weniger das der Tiere, die einfach sterben, ohne dass eine Krankenschwester ihnen die Hand auf die Stirn legt. Salomon wurde nicht nur die Haut abgezogen, es wurden ihm auch noch die Vorderbeine abgeschnitten, welche nach entsprechender Reinigung und Gerbung am Palasteingang als Behältnisse für Stöcke, Stäbe, Regen- und Sonnenschirme dienen sollten. Wie man sieht, hat Salomon das Niederknien nichts genützt. Der Mahut Subhro erhielt
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