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Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante

Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante

Titel: Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante
Autoren: Stephan Puchner
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wir zwar noch lebendig, doch auch schon halb begraben sind, durch höhenverbindende Aquädukte ersetzt werden. Interessant ist, dass die Menschen, die solche Pässe überwinden müssen, dies stets mit fast fatalistischer Resignation tun, und obgleich sie dadurch die Angst, die ihre Körper befallen hat, nicht abstellen können, bleibt offensichtlich die Seele intakt und ruhig, wie ein starkes Licht, das kein Orkan löschen kann. Es wird viel erzählt, und nicht alles stimmt, doch so ist der Mensch beschaffen, bereit zu glauben, dass ein eingelegtes Elefantenhaar das eigene Haar wieder wachsen lässt, oder sich einzubilden, er trüge ein einzigartiges, ihn durch die Wege des Lebens, einschließlich der Pässe, führendes Licht in sich. Auf irgendeine Art müssen wir alle sterben, sagte der weise Eremit der Alpen.
    Das Wetter ist nicht gut, was in dieser Jahreszeit, wie sich bereits mehrfach gezeigt hat, nichts Neues ist. Der Schnee fällt zwar nicht in Massen und die Sicht ist auch nahezu normal, doch der Wind ist schneidend scharf und durchdringt selbst die dickste Kleidung. Die Kürassiere können ein Lied davon singen. Laut eines in der Kolonne verbreiteten Gerüchts soll die Reise heute fortgesetzt werden, weil morgen eine Verschlechterung der Wetterverhältnisse erwartet wird, und auch, weil das Schlimmste der Alpen, sobald die Kolonne ein paarKilometer in nördlicher Richtung zurückgelegt hat, im Prinzip hinter ihnen liegt. Oder anders ausgedrückt, bevor der Feind uns angreift, greifen wir ihn an. Ein großer Teil von Brixens Einwohnern war bei der Abreise des Erzherzogs Maximilian und seines Elefanten zugegen und erlebte zur Belohnung eine Überraschung. Als der Erzherzog und seine Gemahlin gerade in die Kutsche steigen wollten, beugte Soliman beide Knie und berührte den eisigen Boden, was bei den Zuschauern eine bemerkenswerte Salve von Beifall und Hochrufen auslöste. Der Erzherzog lächelte zunächst, zog jedoch gleich darauf die Augenbrauen hoch, in der Annahme, das neuerliche Wunder verdanke sich einem unrechtmäßigen Manöver des verzweifelt nach einem Friedensschluss strebenden Fritz. Der adlige Erzherzog hat unrecht, die Geste des Elefanten erfolgte völlig spontan, entsprang sozusagen seiner Seele, als eine Art Dankeschön für die gute Behandlung, die man ihm in der Herberge Am hohen Feld in diesen vierzehn Tagen hatte zuteilwerden lassen, zwei Wochen wahrer Glückseligkeit und daher ohne Geschichte. Dennoch muss auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass unser Elefant, zu Recht besorgt über die offensichtliche Kälte der Beziehungen zwischen seinem Mahut und dem Erzherzog, mit dieser freundlichen Geste dazu beitragen wollte, die entzweiten Geister zu befrieden, wie es früher so schön hieß. Und damit uns keiner vorwerfen kann, wir seien parteiisch und wollten die wahre Antwort auf diese Frage unterschlagen, dürfen wir auch nicht die keineswegs rein akademische Vermutung außer Acht lassen, Fritz habe mit seinem Stock willentlich oder auch unbeabsichtigt Solimans Ohr berührt, jenen so überaus wundersamen Körperteil, wie sich in Padua gezeigt hat. Wie bereits bekanntsein dürfte, ist die exakteste, die zutreffendste Darstellung der menschlichen Seele das Labyrinth. Und damit ist alles möglich.
    Die Kolonne ist zur Abreise bereit. Es herrscht eine allgemeine Unruhe, eine unverkennbare Anspannung, man spürt, dass die Menschen sich Gedanken machen wegen des Brennerpasses und seiner Gefahren. Und der Chronist dieser Ereignisse schämt sich nicht, seine Sorge einzugestehen, vielleicht nicht in der Lage zu sein, diesen berühmten, nun vor uns liegenden Pass zu beschreiben, er, der sein Unvermögen bereits bei der Eisackschlucht bestmöglich zu kaschieren suchte, indem er zu nebensächlichen Themen abschweifte, die vielleicht für sich genommen eine gewisse Bedeutung haben, jedoch vom Wesentlichen ablenkten. Schade, dass im sechzehnten Jahrhundert die Fotografie noch nicht erfunden war, sonst läge die Lösung auf der Hand, müssten wir doch an dieser Stelle nur ein paar Bilder aus der damaligen Zeit einfügen, am besten vom Hubschrauber aus fotografiert, und der Leser hätte allen Grund, sich als großzügig entschädigt zu betrachten und die hervorragende Informationsvermittlung seitens unserer Redaktion zu würdigen. Apropos, es ist an der Zeit, zu berichten, dass die kleine Stadt, die als Nächstes kurz hinter Brixen kommt, auf Italienisch, denn schließlich befinden wir uns immer
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