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Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante

Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante

Titel: Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante
Autoren: Stephan Puchner
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eine einzige Formation und eröffneten den Zug. Gleich dahinter kam der Elefant, und das war zugegebenermaßen ein eines Aljechin würdiger Schachzug, zumal die Kutsche des Erzherzogs, wie wir gleicherfahren werden, nur den dritten Rang in dieser Abfolge einnahm. Die Absicht war eindeutig, Soliman sollte höchste Aufmerksamkeit zuteilwerden, was absolut legitim war, da österreichische Erzherzöge in Wien bereits bekannt waren, während er der erste Elefant wäre. Von Linz nach Wien sind es zweiunddreißig Leguas, auf denen zwei Zwischenstationen für Übernachtungen vorgesehen sind, eine in Melk, die andere in der Stadt Amstetten, es sind kleine Etappen, womit erreicht werden soll, dass der Zug einigermaßen frisch in Wien ankommt. Das Wetter ist nicht das allerbeste, es schneit weiterhin, und der Wind hat noch nichts von seiner schneidenden Schärfe verloren, doch die Straßen könnte man, verglichen mit der Eisackschlucht und dem Brennerpass, fast als paradiesisch bezeichnen, wenngleich zu bezweifeln ist, dass an diesem himmlischen Ort überhaupt Straßen existieren, werden doch die Seelen, kaum dass sie die Eingangsformalitäten erfüllt haben, mit einem Flügelpaar ausgestattet, welches dort das einzig zugelassene Fortbewegungsmittel ist. Ab Amstetten wird es keine Rast mehr geben. Die ganze Strecke über strömten Menschen aus den Dörfern zusammen, um den Erzherzog zu sehen, und sie fanden ein Tier vor, von dem sie nur vage gehört hatten und das daher die berechtigtste Neugier und die absurdesten Erklärungen heraufbeschwor, wie jene, die ein kleiner Junge erhielt, der seinen Großvater fragte, warum der Elefant Elefant heiße, worauf er zur Antwort bekam, es sei wegen seines Rüssels. Ein Österreicher, selbst wenn er aus der niedrigen Gesellschaft stammt, ist kein Mensch wie alle anderen, er wird stets alles wissen wollen, was es zu wissen gibt. Ein weiterer Gedanke, den diese braven Leute, wie wir so väterlich zu sagen pflegen, hervorbrachten, war der, dass indem Land, aus dem der Elefant stammt, alle Menschen ein solches Tier besäßen, so, wie man hier ein Pferd, einen Maulesel oder, häufiger noch, einen Esel besaß, und dass sie alle ziemlich reich seien, da sie ein Tier von solcher Größe ernähren konnten. Den Beweis für Letzteres erhielten sie, als der Zug einmal mitten auf der Straße anhalten musste, weil Soliman, der aus unerfindlichen Gründen das Frühstück verschmäht hatte, etwas zu fressen brauchte. Es bildete sich eine kleine Menschenmenge, die staunend zusah, wie der Elefant mit Hilfe seines Rüssels blitzschnell die Strohballen in den Mund schob und verschlang, nachdem er sie zweimal zwischen seinen mächtigen Backenzähnen hin und her gewälzt hatte, die zwar von außen nicht zu sehen waren, deren Größe man sich jedoch leicht vorstellen konnte. Je mehr sie sich Wien näherten, umso deutlicher spürte man eine langsame Wetterbesserung. Sie war nicht spektakulär, die Wolken hingen immer noch tief, aber es hatte aufgehört zu schneien. Jemand sagte, Wenn das so weitergeht, haben wir in Wien blauen Himmel und strahlenden Sonnenschein. Ganz so sollte es dann doch nicht sein, aber diese Reise wäre gewiss anders verlaufen, hätte das Wetter sich ein Beispiel an dem in jener Stadt genommen, die eines Tages als Walzerstadt berühmt werden sollte. Ab und zu musste der Zug haltmachen, da Dörfler und Dörflerinnen aus der Umgebung ihr Talent fürs Tanzen und Singen unter Beweis stellen wollten, was insbesondere der Erzherzogin gefiel, deren Begeisterung der Erzherzog auf wohlwollende, fast väterliche Weise teilte, wobei ihm der damals wie heute gängige Gedanke durch den Kopf ging, Was soll man machen, so sind sie nun mal, die Frauen. Die Türme und Kuppeln von Wien zeichneten sich bereits am Horizont ab, die Tore derStadt waren weit geöffnet, und zu Ehren des Erzherzogspaares präsentierte sich das Volk auf den Straßen und Plätzen in seinem Sonntagsstaat. So war es auch in Valladolid bei der Ankunft des Elefanten gewesen, doch die iberischen Völker können sich über alles freuen, sind sie doch wie kleine Kinder. Hier, im österreichischen Wien, herrscht Disziplin und Ordnung, die Erziehung hat etwas Teutonisches, wie die Zukunft später zeigen wird. Man spürt in dieser Stadt förmlich den Einfluss der öffentlichen Behörden und den Respekt und bedingungslosen Gehorsam in der Bevölkerung. Das Leben hält jedoch viele Karten bereit, und nicht selten spielt es die aus, die man am
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