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Die reinen Herzens sind

Die reinen Herzens sind

Titel: Die reinen Herzens sind
Autoren: Faye Kellerman
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Ich bin mir vorgekommen wie eine Aussätzige.«
    »Schwestern sind manchmal kleine Diktatoren«, bemerkte Marge.
    »Du hättest die Schimpfkanonade mal hören sollen, als ich gefragt habe, ob ich meine Schwester in den Arm nehmen dürfe. Sie hat mich gleich ins Kreuzverhör genommen. Wer ich sei, was ich mit dem Baby zu schaffen hätte.«
    »Sie müssen vorsichtig sein, Cindy.«
    »Ja, ich weiß. Deshalb dachte ich … Wenn Dad mitkommt und sagt, daß alles in Ordnung ist …« Cindy zuckte die Achseln. »Ist nicht der passende Moment. Ich gehe zurück und spiele mit ihr durch die Glasscheibe … wenn Marie mich nicht rauswirft.«
    »Die Schwester heißt Marie?«
    »Ja. Sie hält sich für eine Heilige.«
    Decker trat zu ihnen. »Wer hält sich für eine Heilige?«
    »Die Schwester, die mich in der Säuglingsstation angefegt hat«, sagte Cindy.
    »Wie bitte? Wann war das?«
    »Gerade eben.«
    »Warum hat sie dich angefegt?«
    »Weil sie eine Hexe ist.«
    »Cindy hat das Säuglingszimmer ohne sterile Kleidung betreten«, klärte Marge ihn auf. »Die Schwester hat vermutlich etwas überreagiert.«
    »Ich war gar nicht in dem Raum, in dem die Babys lagen.«
    »Cindy, bitte mach jetzt keinen Aufstand«, murmelte Decker. »Nicht jetzt, ja?«
    Cindy nickte und gab ihrem Vater einen Kuß auf die Backe. »Du solltest dir deine kleine Tochter mal ansehen, Dad. Sie ist süß … ganz rosig. Ein entzückendes Bündel. Und eine Stimme hat sie! Ich habe sie durch das Fenster gehört.«
    »Wunderbar«, murmelte Marge.
    »Behalte sie im Auge … für mich«, seufzte Decker. »Nur …«
    »Ich weiß«, sagte Cindy. »Ich halt den Mund, bis wir wieder alle normal sind. Damit kann ich leben.«
     
    Magda brachte einen Arm voll Sandwiches und Snacks. Sammy ging zwischen seinem Bruder und seinem Großvater, den Kopf gegen den Arm des alten Herrn gelehnt. Stefan hatte den Arm um Sammys Taille gelegt. Sammys Gesicht war kalkweiß, er ging langsam und tapsig. Decker rannte auf ihn zu und nahm den Jungen in seine Arme.
    »Großer Gott, was ist passiert!«
    »Ich habe ganz allein Blut gespendet«, flüsterte Sammy. »Weil ich ein richtiger Mann bin.«
    Decker lächelte. Seit seiner Bar Mizwa drängte Sammy sich stets vor, wenn etwas körperliche Kraft erforderte, und behauptete, ein richtiger Mann zu sein. Decker setzte seinen Stiefsohn auf die Couch.
    »Wenn du Dracula bist … ich hab bereits alles ganz offiziell gespendet«, sagte Sammy.
    »Sehr komisch.« Decker schob kastanienbraune Strähnen aus Sammys Stirn. »Wieso hat’s so lange gedauert?«
    »Sie wollten ihn eine halbe Stunde lang nicht gehen lassen«, antwortete Stefan. »Ich nehme an, sie haben nicht geglaubt, daß er siebzehn ist.«
    »Er ist auch nicht siebzehn!« Decker hörte die Angst in seiner Stimme. »Warum habt ihr ihn gelassen?«
    »Sie hatten keine Wahl«, sagte Sammy. »Ich hab darauf bestanden.«
    »Der Junge hat seinen eigenen Kopf«, seufzte Stefan.
    »Er muß was Süßes essen, Akiva«, warf Magda ein. »Er hat nichts getrunken. Sag ihm, er soll was trinken.«
    Decker hob den Kopf seines Sohnes. »Trink was, Sammy.«
    »Ich bin voll bis an den Rand.«
    »Dann iß einen Keks!« befahl Magda.
    »Der ist nicht koscher«, artikulierte Sammy mühsam.
    »Ist mit Pflanzenfett gebacken …«
    »Hat keine Haschgacha.«
    »Und wenn Schweinefüße drin sind, Sam! Iß den verdammten Keks! Kapiert?«
    »Ja, Sir.« Sammy nahm den Keks und begann daran zu knabbern. Sein Gesicht hatte wieder etwas Farbe bekommen. Er wirkte ruhig. Decker fragte sich, ob sein kompromißloser Ton dem Kind das Gefühl gegeben hatte, er hätte alles unter Kontrolle.
    »Hast du inzwischen was gehört, Akiva?« fragte Magda.
    Decker schüttelte den Kopf.
    »Wo ist Cindy?«
    »Sie besucht das Baby«, sagte Marge.
    »Ist das Baby schon auf der Säuglingsstation?« wollte Magda wissen.
    »Ja. Soll ich dich hinbringen?«
    »Das wäre nett.«
    Marge lächelte stumm. Mrs. Elias’ Akzent, ihre gepflegte Frisur, die dicken goldenen Ringe und teure Garderobe gaben ihr etwas Unnahbares, unter bestimmten Umständen vielleicht sogar Arrogantes. Jetzt allerdings verbreitete sie nur Wärme und Herzlichkeit.
    »Gehen wir«, sagte Marge.
    »Du fütterst Sammy, Akiva«, sagte Magda. »Und sieh zu, daß er was trinkt.«
    Decker versprach es und bemerkte ein Glitzern in den Augen seiner Schwiegermutter. Sie war aufgeregt wegen des Babys. Und das war gut so. In diese Atmosphäre relativer Ruhe platzte eine Gestalt in
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