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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition)
Autoren: Julia Kröhn
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Frauen und den beiden Bischöfen: dass sie ihre Regentschaft niederlegen und fortan in dem von ihr gegründeten Kloster bei Chelles leben würde. Dass Chlothar bald volljährig wäre und bis dahin der Abt Genarius über sein Seelenheil wachen sollte. Dass sieihn, den Major Domus, darum bitte, stets im Sinne ihrer Söhne zu handeln und auf Entschlüsse wie den gestrigen zu verzichten.
    Erst als sie geendigt hatte, blickte sie in sein Gesicht – und fand es fassungslos. Die dünne, feine Haut, ergraut von durchwachter Nacht und schweren Gedanken, war noch bleicher, als es ihm eigentümlich war.
    »Das tust du nicht! Nein, das tust du nicht! Du bist doch keine, die im Kloster versauert!«
    Sie biss sich kurz auf die Lippen, doch dann fuhr sie entschlossen fort: »Ich werde mich stets über alles unterrichten lassen, was geschieht, werde meinen Ratschlag erteilen, wenn er gewünscht ist, und ich werde weiterhin sämtlichen Besitz, den ich habe, für das Wohlergehen des Volkes nutzen – für die Armen und Witwen, für die Unfreien und Sklaven.«
    »Nein!«, schrie er. »Du verlässt mich nicht! Das darfst du nicht tun!«
    Er stürzte auf sie zu, packte sie an den Schultern, schüttelte sie. Gleiches tat er nicht zum ersten Mal – doch nie zuvor hatte sie sich so wenig gewehrt. In ihrem groß gewachsenen Körper regte sich kein Widerstand; hin und her wankte sie.
    »Das darfst du nicht tun!«, nun stieß er sie roh zurück. Sie geriet ins Wanken, aber sie fiel nicht.
    »Ach Ebroin«, murmelte sie, »ach Ebroin... du brauchst mich nicht, um Bischöfe zu foltern und zu töten!«
    Heftig atmend durchquerte er mehrmals den Raum, blieb erneut vor ihr stehen, packte sie zwar kein zweites Mal, aber schrie ihr ins Gesicht.
    »Wir herrschen gemeinsam, so war es ausgemacht! Seite an Seite! Du bist die Regentin, ich der Major Domus. Wen haben wir sonst als Bündnispartner, als Vertraute? Hinter deinem Rücken nennt man dich Sklavin, und ich bin für alle Welt der Bastard einer Amme. Verstehst du nicht? Wir sind von gleicher Herkunft, geeint von gleichem Trachten, von gleichem...«
    »Nein, Ebroin, nein, ab heute trägst du dein Los allein.«
    »Wage nicht, mir vorzumachen, du wärest zu gut für diese Welt! Wage nicht, auf mich herabzuschauen, als wäre ich Abschaum! Glaubst du, das alles fällt mir leicht? Ständig auf der Hut zu sein vor Verschwörung und Anschlag? Überall Feinde wittern zu müssen? Ihnen stets einen Schritt voraus zu sein? Ich weiß, dass man mich grausam nennt, aber ich schwöre dir, ich schwöre dir, ich bin es doch nicht gerne. Die Umstände verlangen es, sie fordern’s auch von dir. Darum musst du an meiner Seite bleiben – und auch, weil ich sonst ganz alleine wäre. Ich will das nicht! Ich will das nicht! Fühlst du sie nicht wie ich, die dunklen Triebe? Das Böse und Gemeine? Wie anders könnt ich sie bezähmen, wenn ich nicht an dir sähe, wie du sie zu beherrschen trachtest, wie du versuchst, es abzubüßen mit deinen guten Taten. Fahr fort damit – an meiner Seite!«
    Er redete wie von Sinnen, manche Silbe verschluckend, andere Worte nur stotternd. So hatte sie ihn nie erlebt, und zugleich war ihr Mitleid nie so aufrichtig gewesen, nie so bereinigt von Wut und Hass, von Spott und Furcht, von Widerwillen... und Begehren. Letzteres war am schwierigsten einzugestehen gewesen; nicht unmittelbar ihm selbst hatte es gegolten, seinen dünnen Gliedern, seinem farblosen Gesicht, jedoch der Kraft, die er in ihr zu entfachen verstand: diese schrille Lebendigkeit. Kurz fragte sie sich, ob sie künftig darauf verzichten müsste – oder ob sie sie bewahren, wenngleich in erträgliche Bahnen lenken könnte.
    »Ebroin! Ebroin!«, versuchte sie ihn zu erreichen. »Ich habe an mir selbst genug zu tragen – das, was dich treibt, ist deine Sache. Ich kann dich nicht davon befreien, ich kann das Dunkle in dir nicht erhellen. Ein Bündnis zwischen uns kann niemals glücken, weil du das Schlechteste in mir zutage förderst, nicht das Beste. Das Beste könnte dich retten, doch bin ich weder stark noch gut genug dafür, verstehst du? Darum ist es besser,wenn ich meine Entscheidungen treffe – so wie du die deinen fällst.«
    »Du erträgst es doch nicht im Kloster! Willst du dort in der Küche stehen, so wie die frommen Nonnen? Willst du kehren und putzen? Willst du die Latrinen reinigen?«
    »Ich weiß es nicht. Aber wenn ich es tun werde, so wird es für mich keine Demütigung bedeuten, sondern ein Zeichen der
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