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Die Regentin (German Edition)

Die Regentin (German Edition)

Titel: Die Regentin (German Edition)
Autoren: Julia Kröhn
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all den Wirrungen des Lebens. Seine Frau war bei ihm, desgleichen ihre beiden Söhne – und auch Daniel, jener Enkel von Bathildis, welcher ihr von Childerich geschenkt worden war.
    Sie alle bat Rigunth zu gehen.
    »Das ist nicht recht«, murmelte einer der Priester mürrisch. »Die Königin sollte nicht allein sein, wenn Gottes Engel ihre Seele fortführen. Ist’s nicht vor allem unser Gebet, das den lauernden Dämonen verbietet, sie dreist zu stehlen?«
    »Sie ist nicht allein, ich bin bei ihr. Und sie wird nicht sterben, noch nicht. Ich habe ihr etwas zu berichten, gönnt mir dafür nur einen kurzen Augenblick!«
    Widerstrebend fügten sich die Versammelten der Frau, die Bathildis am nächsten stand und die gealtert, ja kränklich wirkte, seitdem die Königin das Leben kampflos schwinden ließ.
    Die Reise in die jenseitige Welt, die sich so lange angekündigt hatte und der auch Rigunth entgegenblickte, seitdem sie heimlich Blut spuckte, hatte mit dem gestrigen Abend ihre letzte Wegstrecke erreicht. Bathildis hatte noch am Abendmahl teilgenommen, hatte das hölzerne Kreuz geküsst, welches eine der Nonnen ihr gereicht hatte, und war hernach in einen tiefen Schlaf versunken, der dem Tode glich.
    Rigunth trat zu der wächsernen Gestalt, welche erschlafft und reglos lag, und deren leiser, schwacher Atem alles Leben aushauchte, anstatt wie einst nach neuem zu gieren. Sie war nicht sicher, ob ihre Worte die Königin noch erreichen konnten, ob sie nicht schon in jener Zwischenwelt angekommen war, da sie von keinem irdischen Trachten mehr aufzuhalten war.
    Und doch – sie wollte es versuchen.
    Denn am heutigen Morgen war im Kloster zu Chelles eine Nachricht für die Königin eingetroffen. Eine Nachricht, die nicht von einem jener Untertanen stammte, deren Treue und Interesse weit über das Ende ihrer Regentschaft angehalten hatte, sondern aus fernem Lande kam.
    »Ich habe einen Brief für dich, Bathildis«, sprach Rigunth. Der stete Husten hatte ihre Stimme ausgedörrt, und doch begann sie nun, langsam daraus vorzulesen.
    Geliebte Schwester in Christus ,
    es wird Dich erstaunen, meine Worte zu lesen – und ein wenig erstaunt es auch mich, dass ich sie schreibe. Über Jahre dachte ich, es sei besser, dem Ratschluss meines Gatten zu folgen und es zu unterlassen – gewiss, dass Dein jetziges Leben, welches Gott der Herr Dir geschenkt hat, ein vollkommenes ist, und dass Du der Jugend, die wir gemeinsam verlebt haben, kaum gedenkst .
    Ich bin mir nicht sicher, ob Du Dich an mich erinnerst – an meinen Namen, an mein Gesicht. Und wahrscheinlich weißt Du auch nicht, dass uns das Geschick noch enger verbunden hat, als wir es bei unserer letzten Begegnung ahnten, damals, als für Dich die Ehe bestimmt war und für mich das Klosterleben .
    Oh, zu dieser Zeit war ich überzeugt, dass es das Einzige für mich erträgliche wäre! Und auch heute noch glaube ich, dass das vollendete Leben jenes ist, welches sich in Keuschheit und Demut und Armut vollzieht. Doch der Allmächtige hatte andere Pläne mit mir. Er überließ mein Geschick dem Gutdünken eines Oheims, und jener entschied, dass ich das Kloster zu verlassen hätte und nicht Braut Christi sein sollte, sondern die eines ehrwürdigen Mannes .
    Nun, es wird Zeit, die wirren Worte und Andeutungen sein zu lassen und mich Dir zu erklären: Geliebte Schwester in Christus, ich bin Hereswith, jenes Mädchen, das mit Dir im Kloster aufwuchs, das Dir wohl sein Leben verdankt (schließlich hast Du uns alle vor dem Angriff der üblen Krieger aus dem Norden gerettet) und das einst die Welt so gefürchtet hat. Noch immer scheint mir diese Welt in vielem absonderlich, und am schwierigsten zu verstehen, so deucht mich, ist der Ratschluss Gottes, der mich jenen Rang einnehmen ließ, der in Wahrheit Dir bestimmt war. Denn ich, Hereswith, wurde die Gattin von Aidan, dem Sohn des Ricbert .
    Bathildis regte sich nicht; ihre Augen waren versunken, die Lider wie zugenäht. Ihre Lippen lagen ruhig aufeinander, nie wieder zu entzweien von energischem Wort, an dem sie auch nach ihrem Gang ins Kloster nicht gespart hatte.
    Ob sie ihren Frieden gefunden hatte?
    Rigunth war sich gewiss, dass es so wäre – weil Bathildis nie nach dem tiefen, schweigenden Gleichklang getrachtet hatte, dem sich manch andere Nonne hier unterwarf. Sie hatte immer nur nach einem Gleichgewicht gestrebt zwischen dem sicheren Gerüst eines festgelegten Tages und den wirren, erschütternden Nachrichten, die von draußen
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