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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition)
Autoren: Andrea Hirata
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denen, die sich glücklich schätzen können.
    Wenn man einmal im Leben betrogen wird, kann man leicht zum Skeptiker werden, zu einem Menschen voller Misstrauen. Eine wirklich große Liebe aber reicht offensichtlich aus, um ein für alle Mal die eigene Vorstellung von Liebe zu prägen. So ging es mir jedenfalls. Obwohl mich die Liebe als Erwachsener oft enttäuschte, habe ich nie aufgehört, an ihren Zauber zu glauben. Und das habe ich dem Mädchen mit den himmlischen Fingernägeln zu verdanken. Wo mochte sie jetzt wohl sein? Ich wusste es nicht und wollte es in dem Moment auch nicht wissen. Mein Bild von ihr war so schön wie ein Lotusgarten, und ich wollte, dass es so bliebe. Wenn ich A Ling einmal wiederbegegnen würde, wäre ich möglicherweise enttäuscht, weil sie vielleicht inzwischen Krampfadern bekommen hatte und Fettpolster an den Hüften, einen dicken Bauch und Falten um die Augen. Für mich war sie die Venus des Chinesischen Meeres gewesen, und ich wollte sie so in Erinnerung behalten.
    Ich holte das Buch »Der Doktor und das liebe Vieh« aus der Tasche, das mir A Ling zum Abschied als Andenken an unsere Liebe geschenkt hatte. Mir wurde bewusst, dass bisher mein ganzes Leben als Erwachsener von diesem zerlesenen Buch, das ich stets bei mir trug, bestimmt worden war. Herriot, sein Dorf Edensor und meine zarte Liebesgeschichte mit A Ling hatten mich dazu gebracht, voller Optimismus in die Zukunft zu blicken.
    Eine Woche nachdem ich mein Manuskript »Freunde gewinnen mit Badminton« in den Ciliwung geschmissen hatte, las ich eine Ausschreibung der Europäischen Union für ein Graduiertenstipendium.
    Ich rannte nach Hause, nahm einen Stift, ein Stück Papier, setzte mich an den Tisch und entwarf Schritt für Schritt einen Plan. Mein Plan C lautete: Ich studiere.
    *
    Wie ein Verrückter lernte ich für den Aufnahmetest der Universität, an der Eryn studierte. Ich hatte Erfolg und wurde angenommen. Nun begann für mich ein Leben als Kampf: Ich arbeitete von morgens bis abends als Sortierer bei der Post und nahm zusätzlich jeden sich bietenden Job an, um die Studiengebühren zu finanzieren. Noch hatte ich das Grundstudium nicht beendet, aber alle meine Gedanken waren auf das Graduiertenstipendium der Europäischen Union gerichtet. Konzentration, Konzentration und nochmals Konzentration, das war jetzt meine Devise.
    Ich schloss mein Grundstudium ab und holte mir, ohne weitere Zeit zu verlieren, das Formular für die Bewerbung zum Stipendium der Europäischen Union.
    Danach lernte ich nur noch für den Auswahltest. Ich las ein Buch nach dem anderen. Ich las, während ich Briefe sortierte, während ich aß, wenn ich trank, ich las vor dem Einschlafen, wenn im Radio die Wayang -Geschichten liefen. Ich las im Minibus, auf dem Klo, beim Wäschewaschen, im Gehen, während ich von Kunden beschimpft wurde, während sich mein Chef über mich lustig machte und bei der Flaggenparade. Wenn man auch beim Schlafen lesen könnte, hätte ich sicher auch beim Schlafen gelesen. Manchmal las ich sogar beim Fußballspielen, und ich las beim Lesen. Meine Zimmerwände waren voller Graffiti mit Formeln, Aufgaben aus dem GMAT und Regeln zum Gebrauch der Zeiten.
    An einem Samstagabend ging ich zum Anyar-Markt in Bogor. Bei den Händlern dort fand ich einen Mann aus dem Siedlungsgebiet der Minangkabau, der Poster verkaufte. Ein freundliches Gesicht mit runden Brillengläsern fiel mir auf. Ich brauchte dringend Inspiration. Also erwarb ich das Poster, und noch am selben Abend lächelte John Lennon in meinem Zimmer von der Wand. Unter das Poster malte ich seinen wunderbaren Ausspruch, der mich ständig mahnte, noch effektiver zu sein: Life is what happens to you, while you are busy making other plans!
    Ich wurde ein treuer Benutzer der Bibliothek von LIPI (dem Wissenschaftsinstitut von Indonesien) in Bogor. Die Frühschicht, die ich einst gehasst hatte, war mir jetzt höchst willkommen, denn dann konnte ich früher gehen und zu Hause lernen. Wenn ich von Arbeit erdrückt wurde, schrieb ich Zusammenfassungen meiner Lektüre auf kleine Zettel. Das war eine Methode wie die Eselsbrücken, die Lintang mir beigebracht hatte. Die kleinen Zettel las ich dann, während ich auf die Postsäcke wartete, die vom Postauto abgeladen wurden.
    Ich lernte bis spät in die Nacht. Dabei kam mir meine Schlaflosigkeit zugute. Jedenfalls war ich der produktivste Schlaflose aller Zeiten. Wenn ich zu müde zum Studieren war, nahm ich das Buch »Der Doktor und das
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