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Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken

Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken

Titel: Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken
Autoren: Katie Kacvinsky
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haben wir gezeigt bekommen, wie man schreibt, aber natürlich haben wir es nur als Simulation auf unseren Flipscreens ausprobiert. Um einen Stift zu kaufen, muss man im Netz schon einen Spezialversand finden. Nur meine Mom würde auf die Idee kommen, für so ein historisches Gerät auch noch Geld auszugeben. »Es ist gut für dich, deine Gedanken niederzuschreiben, Madeleine«, meinte sie. »Sehr therapeutisch, weil man gezwungen ist, sich Zeit zu lassen und über das Leben nachzudenken.«
    Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich leeres Papier beschreibe. Es kommt mir vor, als würde ich mit meinen Worten etwas beflecken, das durch seine Unberührtheit wertvoller und interessanter war als alles, was ich jemals zu sagen haben könnte. Mein Leben ist alles andere als aufregend. Ganz im Gegenteil. Jede Minute ist vorherbestimmt, kontrolliert, starr festgelegt. Es gibt nur einen schmalen Pfad, auf dem ich mich bewegen darf.
    Außerdem, warum sollte ich Zeit dafür opfern, meine Gedanken aufzuschreiben, wenn niemand sonst sie lesen kann? Ich bin es gewohnt, dass Millionen von Leuten an allem beteiligt sind, was ich sage und tue. Normalerweise bekomme ich Massen von Feedback und jeder meiner eingetippten Gedanken wird von Dutzenden Kommentaren begleitet. Das gibt mir das Gefühl, in meinem Leben etwas richtig zu machen. Es zeigt mir, dass es Menschen gibt, denen ich wirklich etwas bedeute. Im Netz fühle ich mich real und bekomme den ständigen Beweis, dass ich existiere. Warum sollte ich mein Ich in einem Buch verstecken? Richtig geheim halten lässt sich sowieso nichts. Früher oder später sickert die Wahrheit immer durch. Das habe ich aus eigener Erfahrung lernen müssen.

Kapitel 1
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    Ich zog mir den Pullover über und wollte gerade aus dem Zimmer gehen, als ich das rote Licht sah, das auf meinem Bildschirm blinkte. Zwar war ich jetzt schon zu spät dran, aber das flackernde Licht konnte ich einfach nicht ignorieren. Es hielt mich in meinem Zimmer fest, als sei ich in einem Netz gefangen. Ich habe meinen Computer so eingestellt, dass er mir mit Farben anzeigt, wer mich kontaktieren will. Dieses Rot konnte nur eine Person bedeuten. Ich setzte mich wieder, tippte mit dem Finger gegen den Lichtpunkt, und ein einziger Satz leuchtete auf dem Bildschirm auf.
    Kommst du heute Abend?
    Ich las Justins Frage und presste die Lippen zusammen. Mein Verstand befahl mir, nein zu sagen. Diese Antwort würde mein Vater von mir erwarten. Er hatte mich darauf gedrillt, meine Gedanken zu filtern und durch ein Sieb zu pressen, sodass am Ende akzeptable, wohlerzogene Entscheidungen herauskamen. Aber in letzter Zeit fühlte ich mich dadurch ohnmächtig und bedeutungslos, als würde mein Bewusstsein gar nicht mehr mir gehören, sondern sei nur ein Programm, das man nach Wunsch manipulieren konnte. Deshalb war ich in Versuchung, mit ja zu antworten.
    Ich hatte Justin vor zwei Monaten auf TutorPage getroffen – einem Chatroom für Schüler, die sich Hilfe bei ihren Hausaufgaben holen wollen. Wir hatten beide das gleiche Problem, nämlich den literaturwissenschaftlichen Aufsatz. In der Digital School 4wird verlangt, dass man seine Hauptthese in einem einzigen Satz formulieren kann. Da der Tutor gerade von Schülern überrannt wurde, schlossen Justin und ich uns zusammen, um gemeinsam daran zu arbeiten. Ich weiß noch, dass er damals eine sehr seltsame Bemerkung machte. Er schrieb: »Zwei Köpfe denken besser als einer.« Das war deshalb merkwürdig, weil man seine Zeit in der DS-4 ohne Weiteres hinter sich bringen kann, ohne eine andere Person auch nur anzusehen, geschweige denn mit jemandem zusammenzuarbeiten. Ein Vorteil des digitalen Lebens ist, dass man sehr schnell lernt, selbstständig zu sein.
    Justin und ich stimmten unsere Terminpläne ab, sodass wir uns zweimal pro Woche zum gemeinsamen Lernen im Netz verabreden konnten. Dann begann er, mir Einladungen für Unterrichtsstunden zu schicken, für die man sich live in der Innenstadt von Corvallis trifft. Er versicherte mir, die Gruppen seien sehr klein und hilfreich, aber trotzdem versetzte mich der Gedanke, ihm persönlich zu begegnen, in Panik. Ich bin die Sicherheit meiner Onlineprofile gewohnt und lebe geschützt hinter den Avataren und ClipArts, die ich entwerfe, um meine Persönlichkeit auszudrücken. In der digitalen Welt kann ich sein, wer immer ich will. Dort bin ich je nach Geschmack witzig, tiefsinnig, philosophisch, exzentrisch. Ich kann eine Version von mir erschaffen,
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