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Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg
Autoren: Léo Malet
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was
von Persil gehört. Eine Tätowierung schmückte die Innenseite des rechten
Unterarms: ein Schiffsanker mit einer ziemlich giftigen Schlange als Tau. Die
Farbe war verblaßt, Zeichen von Bemühungen, diesen dekorativen Hautschmuck
entfernen zu lassen. Aber man hätte schon blind sein müssen, um das Kunstwerk
nicht zu bemerken. Vor allem, weil der Solospieler sich keine Mühe gab, es zu
verbergen. Vielleicht hatte er es sich inzwischen wieder anders überlegt.
    Über das grüne Tuch gebeugt,
bereitete er einen dieser Stöße der Meisterklasse vor, von dem man in den
Bierakademien noch lange reden würde. Dabei hielt er seinen rechten Unterarm in
den Lichtkegel, so als sollte ich sein besonderes Kennzeichen begutachten.
    Dann nahm er eine etwas
normalere Haltung ein, setzte zur Karambolage an... und der erhoffte
Meisterstoß ging wie ein schlecht eingefädelter Coup daneben.
    Ich konnte mir eine kleine
Bemerkung nicht verkneifen. Der glücklose Meisterspieler richtete sich auf.
Sein Kopf befand sich jetzt im Halbdunkeln.
    „Nicht besonders, hm?“ sagte er
mit leiser, heiserer Stimme. Wie einer, der was am Kehlkopf hat oder gute
Gründe, im Flüsterton zu sprechen.
    „Kenn mich da nicht so aus“,
antwortete ich. „Vielleicht hab ich Sie auch gestört...“
    Er hatte begonnen, das Queue mit einem blauen Kreidewürfel profihaft
einzuschmieren. Nebenan wurde weitergespielt. Die beiden kümmerten sich nicht
um das, was um sie herum vorging.
    Ich spielte den aufdringlichen
Schwätzer:
    „Ich meine, vielleicht ist das
etwa so wie beim Pferderennen“, erklärte ich. „Auf dem Papier läuft alles wie
geschmiert. Aber sobald man sein Geld gesetzt hat, läuft alles beschissen. Vor
allem der Gaul, auf den man gesetzt hat.“
    Ich klopfte die Pfeife an
meinen schiefgelaufenen Absätzen aus.
    „Ist bei Ihnen vielleicht
genauso“, fuhr ich fort. „Solange Sie alleine spielen, klappt alles wunderbar.
Stellt sich aber irgendein Blödmann daneben und sieht zu, haut’s nicht hin. So
meinte ich das... ungefähr...“
    Einsilbig und vielsagend faßte
der Tätowierte die Gedanken zusammen, die ihm bei einem wie mir kamen.
    „Hm...“
    „Entschuldigen Sie bitte, falls
ich Sie gestört haben sollte“, setzte ich noch einen oben drauf. Ein Quälgeist
weiß, was er seinen Mitmenschen schuldig ist!
    „Schon in Ordnung“, knurrte der
andere.
    Er legte den blauen Würfel
wieder zur Seite und betrachtete eingehend meine Pfeife mit dem Stierkopf, dich
ich liebevoll wieder stopfte. In aller Ruhe. Dabei nahm ich den dämlich
grinsenden Gesichtsausdruck eines Familienvaters an, dessen Kinder gerade
gelobt werden.
    „Ach, Sie interessieren sich
für meine Pfeife, hm? Hübsch, nicht war? Finden alle.“
    Bisher war mein
Gesprächspartner ziemlich kühl gewesen für die Jahreszeit. Jetzt schien er
aufzutauen.
    „Ist das ein Einzelstück?“
erkundigte er sich.
    „Sie wollen wohl auch eine, hm?
Oder warum fragen Sie?“
    „Hm...“ brummte er, „...weil...
ich hab mal einen gekannt...“
    Er kam um den Billardtisch
herum, um mich besser sehen zu können. Nachdem er mich gemustert hatte, lachte
er verlegen. Seine Porzellanzähne strahlten dabei zwischen seinen dünnen
Lippen.
    „Scheiße!“ fluchte er. „Ich
glaub, Sie sind der Kerl.“
    „Was für’n Kerl? Saubert mein
Name.“
    „Saubert, ja.“
    Ich neigte den Kopf zur Seite.
Wenn man sich jemanden ganz genau ansehen will, neigt man immer den Kopf zur
Seite. Weiß nicht, warum. Aber ich bin ein traditionsbewußter Mensch. Nach
einer Reihe von „ja... ja... ja…“ sagte ich:
    „Jetzt hab ich’s! Stalag XB, stimmt’s?“
    „Stimmt. Ferrand.“
    Ich tat überrascht:
    „Ja, natürlich! Ferrand! Also
wirklich, die Welt ist klein.“
    „Sehr klein“, stimmte Ferrand
mir zu. Klang komisch.
    Wir drückten uns die Hand. Ich
fragte:
    „Und, was ist aus dir
geworden?“
    „Man schlägt sich so durch“,
antwortete er achselzuckend. Ich seufzte.
    „Und ich bin arbeitslos. Lieg
auf der Straße... keine Wohnung. Hier in der Gegend gibt’s ‘ne Filiale der
Heilsarmee. Deswegen treib ich mich hier rum. Wollte nur sehen, ob was zu holen
ist. Hatten aber schon dichtgemacht...
    Na ja, egal. Morgen ist auch
noch ‘n Tag. Und heute nacht... Schneit ja nicht grade. Ich kann draußen
pennen.“
    Ich legte eine Ruhepause ein
und sah meinen alten Kriegskameraden an. Als wär sein Rasierklingengesicht ‘ne
Sehenswürdigkeit gewesen!
    „Ferrand, altes Haus! Also
wirklich! So’n
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