Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Raffkes

Die Raffkes

Titel: Die Raffkes
Autoren: Berndorf Jacques
Vom Netzwerk:
akzeptierte kein Nein und sie hätte zäh und hartnäckig so lange auf ihn eingetrommelt, bis er sich nicht mehr hätte wehren können. Immerhin war es beruhigend zu wissen, dass sie nichts tun würde, was ihm schaden könnte. Denn er war Familie und Familie war für sie heilig. Er würde sich diesen Sirtel also anhören. Aber er schwor sich: Sobald der alte Knabe gefährliches Terrain berührt, trete ich ihm vor das Schienbein und verschwinde. Mann bestellte sich ein Taxi. Das Treffen war für zwanzig Uhr angesetzt. Bis dahin blieb noch Zeit; er würde sich am Adenauerplatz absetzen lassen, von dort langsam zum Ku’damm schlendern und dabei über den Rotzjungen Kemal nachdenken, der es mit seinen erst siebzehn Jahren fertig gebracht hatte, in einer einzigen Nacht achtunddreißig Pkws in Kreuzberg mit einem Hammer aufzubrechen, nichts zu stehlen und anschließend zu behaupten, er sei telefonisch dazu gezwungen worden. Gefragt, wer ihn denn gezwungen habe, hatte er geantwortet, kriminelle Kreise im Viertel, schwer auszumachen, nicht zu identifizieren. Aber ohne sie sei letztlich jeder aufgeschmissen, er würde um die Ecke gebracht werden, wenn er das Maul aufmache. Mann ließ die Stadt an sich vorbeigleiten. Der Tag war hart gewesen, er fühlte sich erschöpft. 
    Der Fahrer hielt am Ende einer Taxireihe in der Lewishamstraße, nahm den Geldschein, kramte Wechselgeld aus einer Ledertasche und reichte es nach hinten. »Da vorne ist die Hölle los«, murmelte er dabei, als wollte er seufzen, sein Tag sei nun gelaufen. Mann hatte ihm nicht zugehört, er nickte nur: »Danke auch!«, und stieg aus. Er war mittelgroß und wirkte kompakt in seinem abgetragenen langen Trenchcoat. Sein ein wenig längliches, blasses Gesicht unter den kurzen dunkelbraunen Haaren war nichts sagend. Unter dem Mantel trug er einen schwarzen Rollkragenpullover zu blauen Jeans und mittelbraunen englischen Schuhen mit Lochmuster. Mann fiel durch nichts auf und er wusste das. Resolut schob er sich durch eine Gruppe Bustouristen, die sich laut schnatternd im breitesten Sächsisch darüber stritten, wohin sie zum Abendessen gehen sollten. Wahrscheinlich wollte sich Kemal nur beweisen, auf sich aufmerksam machen. Da gab es ein strohblondes, nuttig wirkendes Mädchen namens Uschi, von dem Kemal dauernd sprach. Allerdings wollte Uschi Kemal nicht, sie hatte lässig geurteilt: »Der Junge ist nicht dicht!« Es waren nur wenige Schritte bis zum Kurfürstendamm. Filmreif schossen plötzlich zwei Streifenwagen mit Sirene und Blaulicht an Mann vorbei, bogen ein auf Berlins Prachtstraße und gerieten in massive Schwierigkeiten, weil die beiden Spuren stadtauswärts vollkommen mit Fahrzeugen verstopft waren. 
    Die beiden Streifenwagen stoppten mit hoch quietschenden Reifen, wandten sich erstaunlich synchron nach links und setzten ihre Fahrt brutal auf dem Mittelstreifen fort. Irgendetwas war dort vorne, richtig, der Taxifahrer hatte gemurmelt, dort sei die Hölle los. Mann nahm nun eine Flut von Blaulichtern wahr. Die Fußgänger auf der anderen Seite des Ku’damms begannen wie aufgescheucht auf die Lichter zuzulaufen und mit Geheul näherten sich von hinten mehrere große Feuerwehrwagen. Mann stand sekundenlang isoliert, weil die Menschen um ihn herum ebenfalls zu rennen begannen und ihn beiseite stießen. Er schaute auf die Uhr. Es war neunzehn Uhr fünfundfünfzig. Nun spurtete auch er los. Er war schneller als die meisten Neugierigen vor ihm, deshalb wich er nach links aus und rannte neben Autos her über die Fahrbahn. Er musste husten, befreite seine Luftröhre, spuckte aus, während er Wagen und Menschen umkreiste, die ihm im Weg standen. Katharina kam ihm in den Sinn, die vor einigen Tagen etwas bissig geäußert hatte, er müsse sich dringend in Form bringen, er würde ja kaum noch die drei Stockwerke bis zu ihrer Wohnung schaffen. Wie hieß das Restaurant nochmal, wo er verabredet war?  Franco’s?  Nein:  Francucci’s ! Das war es. 
    Er lief jetzt auf der rechten Straßenseite, weil sich dort weniger Leute befanden. Plötzlich stauten sich die Menschen vor ihm. Uniformierte Polizisten hatten den Straßenabschnitt abgeriegelt. Einige Männer standen steif und drohend, andere waren noch damit beschäftigt, Eisenstäbe mit runden, schweren Füßen aufzustellen, die sie mit einem rotweiß gestreiften Plastikband verknüpften:  Polizei / Tatort.  Mann drängte sich rabiat nach vorne. Neben ihm sagte eine Frau leicht hysterisch: »Da ist eine Bombe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher