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Die Raffkes

Die Raffkes

Titel: Die Raffkes
Autoren: Berndorf Jacques
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dieser Stadt läuft. Dabei war sich Mann darüber bewusst, dass das nicht der Wahrheit entsprach, und er wusste auch, dass der Ablauf schwieriger Gespräche nicht vorhersehbar war und dass sie sich jeder Steuerung versagten. Und noch einer Sache war sich Mann ziemlich sicher: dass der General keine schlaflose Nacht hatte und nicht darüber nachdachte, ob er Mann feuern oder versetzen sollte. Als die Sonne einen ersten vorsichtigen Strahl durch den wolkenreichen Himmel schickte, stand Mann auf. John war auch schon wach und las in der Küche Zeitung. Er sagte:
»Deine Tante meint, es sei besser, wenn ich dich zu deinem Gespräch fahre. Was willst du zum Frühstück?«
»Ich fahre selbst. Einen Kaffee und ein Stück Brot, sonst nichts.« John nickte und schwieg. Die Kaffeemaschine gab ein letztes lautes Blubbern von sich. Mann setzte sich auf einen hohen Hocker und begann an einer Scheibe Graubrot zu nagen. John trank seinen Kaffee im Stehen und beobachtete ihn.
»Die Frauen glauben, du brauchst ein wenig Abstand«, murmelte er vorsichtig.
»Ich kann nicht drüber reden«, sagte Mann. Dann lächelte er leicht.
»Tut mir Leid, John.«
»Oh, ich verstehe das schon.« Er goss den Rest Kaffee aus seiner Tasse in das Spülbecken.
»Aber wenn ich was für dich tun kann, sag Bescheid.« Er ging hinaus. Wenig später verließ Mann das Haus und setzte sich in seinen Wagen. Er fuhr langsam, er war früh dran. Alt-Moabit. Zentrum der Justiz, sein Zuhause seit Jahren. Das Ritual war das immer gleiche. Eine Sekretärin mit nichts sagenden Zügen wies ihn zu einer kleinen Gruppe schwarzer Ledersessel. Mann setzte sich und starrte vor sich hin. Es gab nicht mal eine Zeitung. Irgendwann läutete ein Telefon, die Sekretärin hob den Kopf, nickte ihm zu und sagte:
»Er erwartet Sie.« Mann hatte den Raum nicht so groß in Erinnerung, nicht so kalt. 
    »Setzen Sie sich, mein Lieber«, murmelte der General freundlich und wies auf zwei Stühle vor dem Schreibtisch. Mann nahm den linken und faltete die Hände im Schoß.
»Wir beide haben ein Problem miteinander«, begann der General.
»Sehen Sie das auch so?«
»Ich habe mehrere Probleme. Ja, aber auch eins mit Ihnen.«
»Kolthoff sagte mir, Sie sind fachlich sehr gut. Wenn Kolthoff das sagt, muss es so sein. Wie kommen wir aus der Bredouille wieder raus?« Er erwartete keine Antwort, er beugte sich weit auf dem Schreibtisch vor und faltete die Hände unter dem Kinn. Er betrachtete Mann väterlich, spitzte den Mund, lächelte nicht. Dann war gar keine Bewegung mehr in seinem Gesicht, es war wie aus Stein.
»Wie konnte es geschehen, dass Sie in eine so fatale Nähe zu diesem Russen gerieten? Ich meine, Sie akzeptierten Hilfe, Sie akzeptierten sogar Schusswaffen. Und zuletzt Sprengkörper. Hatten Sie eine Art Black-out?«
»Ich war allein«, erklärte Mann hohl.
»Nach dem Tod von Herrn Kriminalrat Ziemann war ich allein.«
»Kolthoff erzählte mir, Sie seien von diesem bedauerlichen Todesfall immens betroffen gewesen.«
»Das stimmt«, nickte Mann.
»Hat Sie der Tod an sich schockiert oder die Tatsache, dass Ziemann Selbstmord begangen hat?«
»Meines Erachtens war das kein Selbstmord. Es war Mord.«
»Wie kommen Sie darauf?« Da war kein Erstaunen in der Frage und auch keine Empörung, da war gar nichts.
»Oberstaatsanwalt Bakunin hatte den Revolver von Erich Ziemann in der Hand. Auf dem Griff war Bakunins Daumenballenabdruck.«
»Woher wissen Sie das?« Wieder kein Erstaunen, kein Hauch von Aggression, kein Vorwurf, nichts.
»Das sagte man mir.«
»Wer ist ›man‹?«
»Nun ja, Leute, die es wissen. Kriminaltechniker.« Der Generalstaatsanwalt nahm es hin, kommentierte es nicht.
»Lassen Sie mich konkreter werden.« Er veränderte seine Haltung nicht, saß weiter mit unter dem Kinn gefalteten Händen und ausdruckslosem Gesicht da.
»Die Sache im Spreewald. War das nicht eindeutig Rechtsbruch?«
»Ja, das war es. Aber es ging um die Befreiung einer Person.« Mann dachte flüchtig: Lieber Himmel, das müsste Marion hören.
»War das Leben dieser Person in Gefahr?«
»Nicht unbedingt. Aber es war Gewalt in der Szene.« Einen Moment lang blieb es still.
»Dann die geschlossene Akte des Benny. Wissen Sie, wir haben uns tatsächlich etwas dabei gedacht, als wir sie geschlossen haben.« Ein Schimmer von Ironie.
»War das nicht ein Verhalten, das gegen eine Menge Vorschriften verstößt?« Mann nickte bedächtig.
»Ja, wahrscheinlich. Aber ich gebe zu bedenken, dass in dieser Sache zwei leitende
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