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Die Radleys

Titel: Die Radleys
Autoren: Matt Haig
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überwiegen. Und ihre Mutter hat sich am meisten verändert. Sie ist jetzt so entspannt, als wäre ihr eine Last von den Schultern genommen, und sie schüttelt Peters Arm nicht mehr ab, wenn er ihn ihr um die Taille legt.
    »Dein Dad hat also nichts dagegen?«, fragt Clara Eve, als ihre Eltern endlich im Black Narcissus verschwinden.
    »Nichts dagegen würde ich nicht unbedingt behaupten«, erklärt Eve. »Ich würde sagen, es war gut, dass er dabei war, als diese Polizistin mit dir geredet hat. Aber ich glaube trotzdem, dass es immer noch schlimm für ihn ist. Obwohl er weiß, dass ihr anders seid als euer Onkel.«
    Clara fällt eine Gruppe von Jungs auf, die vorübergehen. Der Jüngste ist ziemlich attraktiv und ungefähr so alt wie sie. Er hat ein blasses, hübsches, koboldartiges Gesicht, und als er sie direkt ansieht, kommt er ihr irgendwie bekannt vor. Dann erinnert sie sich. Es ist der Junge, dessen Foto ihr gefallen hat, als sie auf der Neckbook-Seite war. Er sieht, wie sie ihn anlächelt, klopft ans Fenster, und Eve stupst Clara an, die das Fenster herunterlässt. »Ihr wollt wohl auch ins Black Narcissus?«
    »Nein«, sagt Clara. »Mein Va… Unsere Freunde holen nur ein paar Flaschen für uns.«
    Der Junge nickt und lächelt, dann hält er eine Flasche mit einem handgeschriebenen Etikett hoch. »Ihr könnt hiervon was abhaben, wenn ihr wollt.«
    »Ich bin fürs Erste versorgt«, sagt Clara. »Trotzdem danke.«
    »Also, wenn du mal auf Neckbook bist, schick mir eine Nachricht. Ich heiße Raphael. Raphael Child.«
    Clara nickt. »Okay, mache ich.«
    Der Junge geht weiter.
    Gemischtes Doppel unter Vampiren, denkt sich Clara.
    Vielleicht ist die Idee doch nicht so schlecht.
    Neben ihr behält Rowan den Eingang zum Nachtclub im Auge, um seine Eltern nicht zu verpassen. Er spürt Eves Kopf an seiner Schulter und weiß, dass sie das Richtige tun. Endlich hält er sich nicht mehr für ein Monster. Eve ist nur in seiner Welt, weil er ist, wer er ist, und was auch immer in Zukunft passieren wird, er wird niemals bedauern, dass er die Macht hatte, sie wieder zum Leben zu erwecken.
    Er weiß, dass es in Zukunft nicht leicht sein wird, ihre wahre Natur vor der Außenwelt zu verbergen, versteht aber, dass gewisse Dinge immer ein Geheimnis bleiben müssen. Deshalb hat die Polizei die Fotos von ihm als Kind nie zu Gesicht bekommen, und auch nicht die Briefe, die Helen Anfang und Mitte der Neunzigerjahre an Will geschrieben hat. Während Alison Glenny und weitere Mitglieder der Unnamed Predator Unit Wills Kopf und Körper im Teich der Radleys inspizierten und beseitigten, schlich sich Rowan aus dem Haus und betrat zum zweiten Mal an diesem Tag den Campingbus.
    Er ist nicht mehr wütend wegen der Geheimnisse, die jene Fotos und Briefe offenbart haben. Seit er vom Blut seiner Mutter gekostet hat, konnte er ihr nicht mehr böse sein, da er mit ihrem Blut auch an Einfühlungsvermögen gewonnen hat. Er konnte nun verstehen, dass sie diese Dinge von ihm fernhalten wollte, um ihn zu schützen, und jetzt war es an ihm, ihr den gleichen Gefallen zu tun.
    Also nahm er Streichhölzer und die Briefe und Fotos an sich, schlüpfte durch eine Lücke im Gebüsch auf das Feld hinter der Orchard Lane und zündete sie an. Es fühlte sich gut an. Mit dieser Tat konnte er Peter wieder zu seinem Vater machen. Und plötzlich fühlte er sich seltsam erwachsen, als wäre es genau das, was einen Erwachsenen ausmacht – die Fähigkeit, zu wissen, welche Geheimnisse gehütet werden mussten.
    Und welche Lügen man braucht, um seine Lieben zu retten.

[Menü]
    EIN SONG, DEN ER KENNT
    Die Musik ist so laut, dass Helen und Peter sich nicht verständigen können, während sie sich durch die Menge der tanzenden, schwitzenden Körper drängen. Sie wissen, dass man ihnen nachblickt, so unverkennbar zu alt und auffallend, in ihrer konventionellen Kleidung aus Katalogen oder von Marks & Spencer. Das macht aber nichts. In gewisser Weise macht es sogar Spaß. Peter grinst Helen an und sie grinst zurück, wie über einen gemeinsamen Witz.
    Sie werden voneinander getrennt, was Helen nicht merkt, sie folgt den Schildern zur Garderobe.
    Ein Mädchen tippt Peter an die Schulter.
    Sie ist hinreißend in ihrer engen Hose mit dem dunklen Haar und den einladend grünen Augen. Lächelnd entblößt sie ihre Reißzähne, fährt mit der Zunge darüber. Dann beugt sie sich zu ihm und sagt ihm etwas, was er wegen der Musik nicht versteht.
    »Bitte?«, fragt er.
    Sie lächelt.
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