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Die Radleys

Titel: Die Radleys
Autoren: Matt Haig
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Felt, der aus dem Delikatessenladen trat, mit einer Papiertüte, aus der eine gigantische Wurst herausschaute. Jared hatte sich entschuldigt, weil er mit der Miete im Verzug gewesen war, und erklärt, jetzt, da er einen Job hatte, würde es nicht wieder vorkommen. Zu seiner Verwunderung hatte Mark gelächelt und mit den Schultern gezuckt – obwohl das Geld, das Rowan ihm hatte zukommen lassen wollen, nie weiter als bis zu Toby gekommen war. »Null Problemo«, hatte er ihm geantwortet und ihm einen versöhnlichen Klaps auf den Rücken gegeben. »Es gibt Schlimmeres.«)
    Trotzdem geht es Jared nicht gut, und es fällt ihm außerordentlich schwer, einzuschlafen, solange in seinem Kopf ein Zyklon aus Sorgen tobt. Es sind genau die Sorgen, die er sich jetzt gerade macht, als er hört, wie Eve um zwei Uhr morgens nach Hause kommt.
    Er steht auf, um nachzusehen, ob es ihr gut geht. Sie ist im Wohnzimmer und trinkt Blut, direkt aus der Flasche.
    Er ist enttäuscht.
    »Dad, tut mir leid«, sagt sie, mit einem unverkennbar glücklichen Leuchten in den Augen. »Ich wollte bloß nicht alles auf einmal austrinken. Ich wollte es mir einteilen, verstehst du?«
    Er müsste ihr böse sein, aber er hat die Nase voll vom Bösesein. Zu seiner eigenen Überraschung setzt er sich einfach neben sie auf das Sofa. Sie hat den Fernseher leise gestellt und sieht sich Musikvideos an. Von den Bands hat Jared noch nie etwas gehört. The Pains of Being Pure at Heart. The Unloved. Yeah Yeah Yeahs. Liechtenstein. Eve setzt die Flasche ab und stellt sie auf den Tisch. Sie will in seiner Gegenwart kein Blut mehr trinken.
    Sie sitzen beieinander und unterhalten sich eine Weile, und dann steht Eve auf. »Ich heb’s mir für morgen auf«, sagt sie und deutet auf die Flasche, und Jared ist erleichtert über ihre Selbstbeherrschung, obwohl er ahnt, dass sie das hauptsächlich ihm zuliebe tut. Eve geht zu Bett, aber Jared bleibt vor dem Fernseher sitzen, als ein älteres Video auf dem Bildschirm erscheint. »Ashes to Ashes« von David Bowie. Früher war er ein kolossaler Fan von David Bowie, damals, als er noch wusste, wie man sich richtig in die Musik einfühlt. Und während er so dasitzt, zusieht, wie die Prozession der Harlequins über den Bildschirm zieht, verspürt er ein seltsam zufriedenes Gefühl, das von dem schweren Duft herzurühren scheint, der in der Luft liegt. Es ist einkomplexer, zutiefst beunruhigender Duft, der immer stärker wird, je mehr man sich darauf konzentriert, und er wünscht, er würde noch intensiver werden. Er reckt sich ihm entgegen, dem Duft, und merkt, dass er sich auf die Flasche mit dem unverkorkten Hals zubewegt, aus dem wunderbare Aromen steigen, wie Sporen himmlischer Pollen.
    Er hält die Flasche jetzt in seiner Hand und die Nase direkt über dem Hals, einfach aus Neugier. Fünf Stunden lang hat seine Nase heute unter den Ausdünstungen von Haushaltsabfällen gelitten. Massen von verfaulten Früchten und saurer Milch und vollen Windeln, alles miteinander vermengt, bis sich ein Gestank ausbreitete, der so stark war, dass er ihm in der Kehle steckte. Er könnte in der Tat vergessen, dass es diese Gerüche gibt. Die Gerüche nach Verrottung und Verwesung, die menschliche Wesen produzieren. Er könnte sie fortspülen und von ihrem Gegenteil kosten. Er könnte sich verlieren oder sich finden, in diesem berauschenden, lebenserfüllten Duft nach Hoffnung.
    Er debattiert mit sich selbst.
    Das ist Vampirblut. Da steckt alles drin, was ich für hassensw ert erklärt habe. Ich darf das nicht tun. N atürlich nicht.
    Aber doch nur ein kleiner Schluck. Nur ein klitzekleiner Tropfen. Der kann doch nicht schaden, oder? Nur um Bescheid zu wissen. Der Song ist noch nicht zu Ende, als er die Flasche an die Lippen setzt, die Augen schließt und sie langsam – sehr, sehr langsam – nach hinten kippt.

[Menü]
    MYTHEN
    Zu Hause angekommen, trinken Helen und Peter ihr Blut im Bett. Sie haben beschlossen, sich zivilisiert zu benehmen, weshalb sie es aus Weingläsern trinken, die sie im vergangenen Jahr kurz vor Weihnachten bei Heal’s gekauft haben.
    Nach ein paar zögerlichen Schlucken fühlt sich Helen hellwach und so voller Leben wie seit Jahren nicht mehr. Sie bemerkt, wie Peter sehnsüchtig ihren Hals betrachtet, und weiß, was er denkt, auch wenn er es nicht sagt. Wäre es nicht netter, wenn wir jetzt gegenseitig unser Blut trinken würden?
    Er stellt sein Glas ab und kuschelt sich an sie, um ihr einen zarten Kuss auf die Schulter
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