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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache
Autoren: John T. Lescroart
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den Kopf und sah dann zum Tisch der Anklagevertretung hinüber. Hardy war zur Urteilsverkündung gekommen, weil er sehen wollte, wie dieser Bursche endlich hinter Gittern landete, und saß neben Ingraham. Baker sah in ihre Richtung, direkt auf Ingraham. Er schien sich seine Züge einzuprägen. Dann sagte er laut: »Du Schweinehund bist ein toter Mann.«
    Der Richter ließ den Hammer niedersausen. Ingraham stellte den Antrag, Bakers Strafe wegen dieser Drohung zu verschärfen, und der Richter schlug an Ort und Stelle noch fünf Jahre drauf.
    Der Gerichtsdiener, unterstützt von zwei Beamten, zerrte den kräftigen Mann hoch und führte ihn durch den Gerichtssaal. Baker starrte noch immer auf Ingraham.
    Da beging Hardy eine Dummheit.
    Bakers Blick, sein Gehabe, sein Auftreten als harter Bursche amüsierten ihn eine Sekunde lang – nur eine Sekunde. Aber das war genug. Ein zwanzigjähriger Irrer, der für lange Zeit hinter Gittern verschwand und dachte, sein Ghetto-Blick würde dem Mann, der ihn dorthin geschickt hatte, eine Höllenangst einjagen … Als Baker, der mit seinen Handschellen kämpfte, auch Hardy einen tödlichen Blick sandte, schürzte der die Lippen und warf ihm einen Abschiedskuß zu.
    In diesem Moment wurde Baker wirklich rasend. Er riß sich von dem Gerichtsdiener und den beiden Beamten los und hatte den Tisch der Anklagevertretung schon fast erreicht, als er mit Gummiknüppeln niedergeschlagen wurde.
    Monatelang geisterte diese Szene durch Hardys Träume. Der Brief, den er von Baker nach dessen erster Woche im Gefängnis erhalten hatte, hatte die Sache nicht besser gemacht. Der Kerl wuß te von seinem Anwalt, wer Hardy war, und er hatte geschrieben, wenn er wieder auf freiem Fuß wäre, würde er auch ihn töten.
    Hardy schickte Kopien des Briefes an den Gefängnisdirektor und den Richter, der Baker verurteilt hatte, aber in dieser Angelegenheit war das letzte Wort gesprochen. Der Richter hatte Bakers Strafe bereits wegen einer Drohung verschärft und war nicht bereit, das ein zweites Mal zu tun. In dem Brief, den Hardy als Antwort vom Gefängnisdirektor erhielt, hieß es, viele Häftlinge seien direkt nach der Verurteilung verbittert, aber die meisten kämen zur Vernunft und führten sich gut, um vorzeitig entlassen zu werden.
    Die meisten vielleicht.
    Aber Baker? Hardy war da nicht so sicher gewesen.
     
    »Er ist also draußen?«
    Ingraham schob die Manschette zurück und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Hardy konnte es nicht mit Gewißheit sagen, aber das Ding sah verdammt nach einer Rolex aus. »Wenn sie pünktlich sind, in ungefähr zwei Stunden.«
    »Wie hast du davon erfahren?«
    »Ich habe einen Freund im Bewährungsamt. Er hat mich angerufen. Und ich habe es bei der zuständigen Polizei überprüft. Niemand holt ihn am Tor ab. Wer sollte das auch tun? Vermutlich nimmt er den Bus zurück in die Stadt.«
    Hardy pfiff durch die Zähne. »Du hast es wirklich überprüft.«
    »Dem Kerl gehört meine ganze Aufmerksamkeit.«
    »Und was wirst du unternehmen?« fragte Hardy.
    Sein alter Bürokollege nippte an seinem Drink. »Was kann ich schon tun? Irgendwann erwischt es jeden von uns. Vielleicht sorgfältiger absperren.«
    »Hast du eine Waffe?«
    Ingraham schüttelte den Kopf. »Das ist was für euch harte Jungs. Wir Gentlemen, die an die Macht des Gesetzes glauben, sollten solche schweren Geschütze nicht nötig haben.«
    Hardy war nach seiner Stationierung in Vietnam und mehreren Jahren bei der Polizei bei der Staatsanwaltschaft gelandet, während Ingraham über Stanford und die juristische Fakultät Hastings dorthin gelangt war.
    »Hast du vor, mit Louis Baker zu verhandeln?«
    »Ich habe nicht vor, ihm zu begegnen.«
    »Was ist, wenn er kommt, um dir zu begegnen?«
    »Ich habe den Gefängnisdirektor angerufen, nachdem ich von der Sache erfahren hatte. Er hat mir gesagt, Louis sei ein vorbildlicher Häftling gewesen, habe zu Gott gefunden und den höchstmöglichen Straferlaß wegen guter Führung bekommen, und es gebe offenkundig keinen Anlaß zur Sorge für mich. Für uns.«
    Hardy beugte sich über die Theke. »Warum bist du dann hier?«
    Endlich kehrte Ingrahams Lächeln zurück. »Weil sich das für mich wie totaler Mist anhört.« Er lehnte sich auf dem Barhocker zurück. »Ich finde, es wäre keine schlechte Idee, wenn du und ich für ein paar Wochen in Verbindung blieben.«
    Hardy wartete. Er verstand nichts.
    »Wir könnten einander jeden Tag um die gleiche Zeit anrufen oder etwas
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