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Die Rache der Kinder

Die Rache der Kinder

Titel: Die Rache der Kinder
Autoren: Hilary Norman
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musst.«
    »Danke, dass du mich daran erinnerst«, sagte Kate.
    Marie sprach das Thema am nächsten Morgen an, als Kate gerade Tee kochte.
    »Ich war gestern Abend sehr taktlos. Tut mir leid.«
    »Schon gut«, sagte Kate. »Vergiss es.«
    »Ich weiß, dass es dir nicht mehr so angenehm ist, mich hierzuhaben.«
    »So würde ich das nicht ausdrücken«, sagte Kate.
    »Das weiß ich«, erwiderte Marie. »Du bist ein freundlicher Mensch.«
    Kate war verlegen. »Ich bin nicht sicher, ob ich mich wirklich als freundlich bezeichnen würde … meistens jedenfalls nicht.«
    Sie brachte zwei Becher zum Tisch und ging dann wieder zurück, um Toast zu holen – alles Dinge, die eine behinderte Frau in diesem Haus nur schwer tun konnte, da es nicht entsprechend eingerichtet war; Dinge, die sie sicherlich wieder selbst tun wollte.
    »Ich habe über noch etwas nachgedacht«, sagte Marie nach einer Weile. »Ich weiß, dass du nur ungern darüber sprichst, aber ich würde dich gern etwas fragen.«
    »Nur zu«, forderte Kate sie auf.
    »Wenn ich du wäre«, sagte Marie, »würde ich die Frau, die am Tod meines Mannes schuld ist, nie …«
    »Bitte.« Kate zog sich der Magen zusammen. »Lass es.«
    »Hör mich zu Ende an.« Marie sah, wie Kate den Kopf schüttelte und sich abwandte. »Ich habe mich nur gefragt, ob es dir helfen würde, wenn ich dir zeige, wo es passiert ist.«
    Seit Robs Tod war Kate nicht mehr auf dem Ridgeway Path gewesen.
    Plötzlich erschien ein verrücktes Bild vor ihrem geistigen Auge: ein Bild der behinderten Frau, die sich plötzlich aus ihrem Rollstuhl erhob und sie Lambsmoor Hill hinunterstieß.
    Sie drehte sich zu Marie um.
    »Ja«, sagte sie. »Ich glaube, es würde mir helfen.«

93. Kate
    Sie stiegen in den Nissan und holperten über die schmale Straße, bis sie halb den Hügel hinauf waren. Sie fuhren so nahe an die Unfallstelle heran wie möglich; dann wartete Kate, während Marie sich aus dem Fahrzeug und in den Rollstuhl wand.
    »Ich wünschte, du würdest mich dir helfen lassen«, sagte Kate.
    »Ich mach das lieber selbst«, erwiderte Marie, und ihr Atem dampfte in der kalten Winterluft.
    »Ich weiß.«
    Sie war wirklich eine bemerkenswerte Person.
    Rob hatte recht gehabt.
    Kein schlechter Ort zum Sterben, dachte Kate und stand imeisigen Januarwind am Hügel. Der Ridgeway war im Süden zu sehen, und Caisléan lag nur wenige Meilen entfernt; doch die bösen Erinnerungen waren endlich zum Schweigen gebracht, die Bilder ausgelöscht von dem, was hier geschehen war.
    Kate hob den Blick und schaute zur kahlen Kuppe des Hügels. Die Gerüche und Geräusche der Downs waren überall um sie herum, und erste Regentropfen trafen sie im Gesicht. Sie brannten in ihren Augen und hüllten sie ein, während sie wartete.
    Auf irgendetwas.
    Sie war nur nicht sicher, auf was.
    Das Baby, ihre Tochter, trat wild um sich, als versuche sie, ihre Mutter wieder zu Verstand zu bringen und sie daran zu erinnern, dass sie nun für sie leben musste.
    »Ich kann nicht den ganzen Weg mit dir hinauf«, erklärte Marie. »Auf einem Pferd war das etwas anderes.«
    »Natürlich«, sagte Kate.
    Marie hob den rechten Arm und deutete auf die Stelle.
    »Da«, sagte sie.
    Kate stieg den Hügel hinauf und stand dann mutterseelenallein dort, neben einer einsamen, blattlosen Birke, die sich im Wind neigte.
    Sie schloss die Augen.
    Die behinderte Frau hinter ihr erhob sich nicht aus ihrem Stuhl.
    Kate stellte sich vor, wie ihr Mann vom Pferd fiel und sein Leib zerschmettert wurde.
    Sie hatten Kate gesagt, alles sei sehr schnell gegangen, und sie hatte beschlossen, das zu glauben. Sie wollte Rob in derLandschaft sehen, die er so sehr liebte. Vielleicht hatte er mehr Angst um das Pferd gehabt als um sich selbst, und dann war er einfach tot … ohne Schmerzen.
    Seit damals hatte Kate sich mit eisernem Willen auch dazu gezwungen, sein Fehlen anders zu sehen als während ihrer Trennung: als etwas, das man überleben konnte.
    Doch nun, hier auf dem Hügel, war alles schrecklich anders.
    Plötzlich konnte sie Robs Tod fühlen , und sie wusste, dass es keineswegs schmerzlos gewesen war, dass er im Gegenteil schreckliche Qualen gelitten hatte: die Rippen eingedrückt von dem riesigen Gewicht des Pferdes; die Lunge explodierte förmlich, und er wusste, dass es das Ende war …
    Kate fühlte es.
    Und sie begann zu schreien.

94.
    Viel später erzählte man ihr, dass Marie sie irgendwie in den Wagen geschleppt hätte. Das war natürlich so gut wie
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