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Die Rache der Kinder

Die Rache der Kinder

Titel: Die Rache der Kinder
Autoren: Hilary Norman
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Rob der einzige wichtige Mensch gewesen, den sie in den letzten Tagen mit ihrer prämenstruellen Erst-reden-dann-denken-Einstellung angegangen wäre.
    Richard Fireman, der Redakteur ihrer wöchentlichen Kolumne Tagebuch einer Frau mit kurzer Lunte in den Reading Sunday News , hatte Kate an diesem Morgen zu sich in sein Büro bestellt, um ihr ein wenig konstruktive Kritik zukommen zu lassen, was den Entwurf der Weihnachtskolumne anging, die sie ihm früher am Tag gemailt hatte. Kate hatte darauf reagiert, indem sie praktisch alle ihre Spielzeuge aus dem sprichwörtlichen Fenster geworfen hatte – und ihren Job beinahe noch dazu.
    Sie hatte nie viel mit den Feiertagen am Hut gehabt. Früher hatte ihre Mutter – Bel Oliver, von der Kate das kastanienbraune Haar, die haselnussbraunen Augen, die kleinen Brüste und die tiefe Stimme geerbt hatte, die schrill wurde, wenn sie wütend war – an diesen Tagen immer viel mehr getrunken als üblich, und »üblich« war schon mehr als genug gewesen. Das wiederum hatte unweigerlich zu heftigem Streit mit Michael Oliver geführt, Kates Vater. Doch auch abgesehen von diesen Familienquerelen hatte Kate zunehmend die Nase voll von den Ritualen, die mit dieser Zeit einhergingen, und von der Klaustrophobie, wenn das Leben zum Stillstand kam.
    Das alles war schrecklich deprimierend. Und dieses Jahr, da die Trümmer ihrer eigenen Ehe sich zu denen ihrer Eltern auf den Klippen des Lebens gesellten, hatte Kate sich mehr als je zuvor vor Weihnachten gefürchtet. Und wie es nun aussah, hatte sie diese düstere Stimmung zu sehr in ihre Kolumne einfließen lassen.
    »Verdammt, Kate, wenn die Leute das hier lesen, schneiden sie sich die Pulsadern auf, noch bevor sie den verdammten Sherry entkorkt haben.«
    Das war Firemans Eröffnung gewesen.
    Er war ein stämmiger Mann mit rundem, jungenhaftem Gesicht, zurückweichendem hellem Haar und einer Omabrille. Sein Büro war mit allem möglichen Zeug vollgestellt, doch der Bereich um seinen Computermonitor und die Tastatur herum war peinlich sauber.
    »Ich hatte gehofft, auf unterhaltsame Art sarkastisch zu sein«, hatte Kate gesagt.
    »Sonderlich sarkastisch ist das nicht, und unterhaltsam schongar nicht«, hatte Fireman erwidert. »Es hat keine Wärme, Kate – das ist das Schlimmste. Jeder Blödmann kann irgendwen oder irgendwas verarschen, aber bis jetzt ist es dir immer gelungen, uns das Gefühl zu geben, als kümmerte dich das.«
    »So ist es ja auch«, hatte sie erwidert und das plötzliche Verlangen verspürt, in Tränen auszubrechen.
    Fireman hatte sie angeschaut und die Zeichen erkannt. »O Gott!«
    »Nicht«, hatte Kate ihn gewarnt. »Lass es.«
    Fireman hatte mit den Schultern gezuckt und auf seinen Monitor geschaut. »Schreib das neu.«
    »Alles?« Entrüstung war an die Stelle des Kummers getreten. »Einiges ist doch ganz lustig.«
    »Ja, so lustig wie eine Darmspiegelung oder eine Beerdigung«, hatte Fireman erwidert.
    »Vorzugsweise deine«, war Kates bissige Erwiderung gewesen.
    Von diesem Augenblick an war es steil bergab gegangen, bis zu dem Moment, da Kate sich um seinen Schreibtisch herumgedrängt und versucht hatte, ihre Kolumne zu löschen. Und niemand rührte Firemans Computer an. Als der Nebel sich schließlich lichtete, wusste Kate, wie viel Glück sie hatte, dass ihr Redakteur tolerant war und dass er ihre Arbeit noch immer mochte. Sonst wäre sie wohl ihren Job los gewesen.
    »Du bist dir selbst dein schlimmster Feind.«
    Das war kurze Zeit später, am Telefon, der Kommentar ihrer Mutter zu den Geschehnissen gewesen.
    »Das habe ich jetzt eigentlich nicht hören wollen, Mom«, hatte Kate erwidert.
    »Das Problem mit dir ist«, hatte Bel begonnen, »dass du …«
    Kate hatte aufgelegt.
    Sie war nicht in der Stimmung gewesen, sich Bel Olivers Vorhaltung anzuhören.
    In jüngeren Jahren hatte Bel todschicke Partykleider für eine Handvoll Privatkunden entworfen, doch ihr Verlangen nach Wein und Wodka-Martinis hatte seinen Tribut gefordert. Von da an waren viele von Bels Entwürfen darauf zugeschnitten, dass Kates Vater, Michael Oliver, sich genauso schuldig und elend fühlte wie Bel selbst.
    Als die Ehe schließlich zerbrochen war, hatten die meisten ihrer gemeinsamen Freunde zu Michael gehalten. Bels Leben wäre schrecklich leer gewesen, hätte sie nicht ihre Freundin Sandra West gehabt, eine Witwe aus Goring, die sie bei einem Treffen ihrer Selbsthilfegruppe für Depressive kennen gelernt hatte. Sandra war eine mausgraue,
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