Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rache der Kinder

Die Rache der Kinder

Titel: Die Rache der Kinder
Autoren: Hilary Norman
Vom Netzwerk:
können, welche Wärme sie durchströmte, was für ein bis dato unbekanntes Gefühl von Liebe . Es war jene Art von Liebe, die ihre Mutter ihr in der Vergangenheit immer wieder beschrieben hatte; deshalb war Laurie auch fest davon überzeugt, dass Shelly sie irgendwann verstehen würde. Und auch ihr Dad: Sobald Pete Moon die verständliche Enttäuschung über sein nicht mehr ganz so perfektes kleines Mädchen überwunden hatte, würde er – als ihr liebender Daddy – erkennen, wie wunderbar es war, dass sie Mutter wurde und ihn zum Großvater machte.
    Stattdessen hatten die beiden gewollt, dass sie es wegwarf.
    Es.
    Sam.
    Nun war Sam acht Jahre alt und lebte im Rudolf Mann House, denn dort – so hatten Peter und Michele es beschlossen und verkündet – sollte er leben. Das Mann House war wie eine freundliche Version eines staatlichen Kinderheims mit ein paar Morgen Land, einschließlich eines Streichelbauernhofs, Sportanlagen und Gärten. Alles war so angelegt, dass Kinder wie Sam Moon spielen konnten, ohne dabei ständig beaufsichtigt werden zu müssen.
    Das Rudolf Mann House war das einzige Zuhause, das Sam je gekannt hatte. Abgesehen von Krankenhausaufenthalten, organisierten Ausflügen und Lauries Besuchen hatte er sein ganzes bisheriges Leben dort verbracht. Es war seine Welt, und daranwar auch nichts verkehrt. Es war ein bemerkenswerter Ort, geführt von tüchtigen Leuten. Das Mann House besaß eine eigene Schule, und es gab Workshops und Trainingskurse für die Älteren, um sie darauf vorzubereiten, das Heim zu verlassen oder in eine der angeschlossenen Wohngemeinschaften zu ziehen.
    Doch nicht alle überlebten. Das hing von den Umständen ab, die sie überhaupt erst als Heimbewohner qualifiziert hatten. In Sams Fall war es das Down-Syndrom. Es handelte sich um die verbreitetste Art, Trisomie 21, ohne weitere Beeinträchtigungen der Gesundheit. Als er klein war, war er zwar anfällig für Brustinfektionen gewesen, litt aber nicht unter Herzproblemen, was Laurie für einen Segen hielt, denn für gewöhnlich hatten zwei von drei mongoloiden Kindern damit zu kämpfen.
    »Er ist wirklich ein glücklicher kleiner Kerl«, hatte Lauries Vater einmal zu ihr gesagt, als Sam drei Jahre alt gewesen war.
    Laurie hätte sich nie vorstellen können, ihren Vater schlagen zu wollen, doch in diesem Augenblick hätte sie ihn für seine Dummheit am liebsten windelweich geprügelt. Und es musste Dummheit sein – daran klammerte sie sich fest –, denn ihre Eltern waren gute Menschen, auch wenn ihre Sicht auf das Down-Syndrom ziemlich beschränkt war und sie deshalb stets übersahen, was wirklich zählte: dass Sam Lauries Sohn war. Ihr geliebtes Kind.
    »Du glaubst doch nicht etwa, wir wüssten das nicht«, hatte Shelly bei einer ihrer früheren Schlachten gesagt.
    »Wenn ihr es wirklich wisst«, hatte Laurie mit ihrer leicht rauchigen Stimme erwidert, »bedeutet es, dass ihr schlechte Menschen seid, und das will ich einfach nicht glauben.«
    Den ersten echten Kampf mit ihren Eltern hatte Laurie wegen ihres leidenschaftlichen Wunsches ausgefochten, auf die Kunsthochschule zu gehen. Lauries Interesse an Pferden hatte sich stets nur darauf beschränkt, die Tiere zu malen – zu Petes und Shellys Enttäuschung. Sie hätten sich gefreut, hätte Laurie Anwältin werden wollen oder Ärztin oder besser noch Tierärztin; aber Kunst zu studieren war für sie eine Verschwendung von Zeit und Geld. Trotzdem, Lauries Lehrer hielten sie für talentiert, und die Nettlebed School of Art war nicht weit weg; also hatten Pete und Shelly schließlich nachgegeben.
    Dann schlief Laurie mit Mike Gilliam, einem Kommilitonen – kurz nach einer Magen-Darm-Grippe, die die Pille wirkungslos gemacht hatte. Drei Tage nachdem er mit Laurie im Bett gewesen war, erklärte Mike ihr in freundschaftlicher Beiläufigkeit, dass er wieder zu seiner Ex zurückkehren würde. Natürlich sei sie ein wirklich tolles Mädchen, und er hoffe, dass es ihr nicht allzu viel ausmachen würde, aber er könne sich nicht mehr mit ihr treffen.
    »Natürlich nicht«, hatte Laurie erwidert, obwohl es ihr sehr viel ausgemacht hatte, denn Mike war sexy und talentiert, und sie war schon seit Ewigkeiten hinter ihm her. Aber das würde er nie erfahren, und das machte es für sie erträglich.
    Wäre Laurie von jemandem schwanger geworden, der nicht so etwas Besonderes war, wäre es ihr womöglich leichter gefallen, über eine Abtreibung nachzudenken; doch sie hatte ihre Zweifel, denn
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher