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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache
Autoren: Eoin Colfer
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Pflege in einer luxuriösen Umgebung.
    Wenn doch nur alle Patienten in der Klinik so gefügig gewesen wären wie Opal Koboi. Alles, was sie brauchte, waren ein paar intravenöse Schläuche und ein Monitor, deren Kosten durch ihre ersten sechs Monatsraten mehr als gedeckt waren. Professor Argon hoffte inständig, dass die kleine Opal nie wieder aufwachte. Denn falls sie es tat, würde die ZUP sie sofort vor Gericht zerren. Und sobald sie wegen Hochverrat verurteilt war, würde ihr gesamtes Vermögen beschlagnahmt, einschließlich des Klinikfonds'. Nein, je länger Opals Schläfchen dauerte, desto besser war es für alle, vor allem für sie selbst. Aufgrund ihrer dünnen Schädeldecke und ihres großen Gehirnvolumens litten Wichtel häufiger an Krankheiten wie Katatonie, Amnesie und Narkolepsie. Es war also gut möglich, dass ihr Koma mehrere Jahre anhielt. Und selbst wenn Opal daraus aufwachte, konnte es sein, dass ihr Gedächtnis in irgendeiner Schublade ihres riesigen Wichtelgehirns verschlossen blieb.
    Professor Argon drehte jeden Abend seine Runde. Er behandelte kaum noch selbst, aber er war der Meinung, es täte seiner Belegschaft gut, sie regelmäßig an seine Gegenwart zu erinnern. Wenn die anderen Ärzte wussten, dass Jerbal Argon seinen Finger am Puls hielt, würden sie sich eher bemühen, es ihm gleichzutun.
    Argon hob sich Opal stets bis zum Schluss auf. Irgendwie beruhigte es ihn, die kleine Wichtelin in ihrer Schwebeaufhängung schlafen zu sehen. Nach einem stresserfüllten Tag beneidete er Opal oft um ihr ungestörtes Dasein. Als die Belastung für die Wichtelin zu stark geworden war, hatte ihr Gehirn einfach sämtliche Funktionen außer den absolut lebensnotwendigen ausgeschaltet. Sie atmete noch, und ab und zu zeichneten die Monitore eine kleine Traumkurve in ihren Gehirnströmen auf. Doch davon abgesehen, existierte Opal Koboi im Grunde nicht mehr.
    An diesem schicksalhaften Abend war Jerbal Argon noch gestresster als sonst. Seine Frau hatte die Scheidung eingereicht, mit der Begründung, er habe seit über zwei Jahren nicht mehr als sechs Worte am Stück mit ihr gesprochen. Der Rat drohte damit, ihm die Subventionen zu streichen, weil er mit seinen neuen Patienten aus gehobenen Kreisen so viel Geld verdiente, und er verspürte einen Schmerz in der linken Hüfte, den anscheinend keine Magie unter der Erde heilen konnte. Die Zaubererärzte meinten, es sei wahrscheinlich rein psychisch. Offenbar fanden sie das witzig.
    Argon humpelte durch den Ostflügel seiner Klinik und überprüfte im Vorbeigehen die Plasmaanzeige jedes Patienten. Jedes Mal, wenn sein linker Fuß auf dem Boden aufsetzte, verzog er das Gesicht.
    Die beiden Hausmeisterwichtel, Mervall und Descant Brill, standen vor Opals Tür und entfernten mit elektrostatischen Wedeln den Staub. Wichtel waren wunderbare Angestellte. Sie waren methodisch, geduldig und zuverlässig. Wenn man einem Wichtel etwas auftrug, konnte man sicher sein, dass es erledigt wurde. Außerdem waren sie niedlich mit ihren Babygesichtern und den übergroßen Köpfen. Allein der Anblick eines Wichtels heiterte die meisten Leute schon auf. Sie waren eine wandelnde Therapie.
    »'n Abend, Jungs«, sagte Argon. »Wie geht es unserer Lieblingspatientin?«
    Merv, der ältere der Zwillinge, blickte von seinem Wedel auf.
    »Wie immer, Jerry, wie immer«, sagte er. »Vorhin dachte ich, sie hätte einen Zeh bewegt, aber es war nur eine optische Täuschung.«
    Argon lachte, aber es klang gezwungen. Er konnte es nicht leiden, wenn man ihn Jerry nannte. Immerhin gehörte ihm die Klinik, er verdiente Respekt. Aber gute Hausmeister waren kostbar wie Goldstaub, und die Brill-Brüder hielten das Gebäude seit mittlerweile fast zwei Jahren tipptopp sauber und in Schuss. Die Brills waren selbst fast Berühmtheiten. Zwillinge sind bei den Unterirdischen sehr selten, und Mervall und Descant waren derzeit das einzige Wichtel-Zwillingspaar in ganz Haven. Sie waren schon mehrmals im Fernsehen gewesen, unter anderem bei Canto , der beliebtesten Talkshow von PPTV.
    ZUP-Corporal Grub Kelp hatte Wachdienst. Als Argon zu Opals Zimmer kam, war der Corporal völlig in einen Film auf seiner Videobrille versunken. Argon konnte es ihm nicht verdenken. Opal Koboi zu bewachen war ungefähr so aufregend, wie einem Zehennagel beim Wachsen zuzusehen.
    »Spannender Film?«, fragte der Arzt freundlich.
    Grub klappte die Brille hoch. »Nicht übel. Ein oberirdischer Western. Jede Menge Schießereien und
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