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Die Quelle

Titel: Die Quelle
Autoren: James A Michener
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erhob, der durch das Wadi wehte als erster Vorbote des Winters, sagte Tabari: »Du bist zum Strand hinuntergelaufen, wo die Boote abstießen, brechend voll mit arabischen Flüchtlingen, und hast jeden, den du erreichen konntest, angefleht: >Geht nicht fort! Bleibt hier! Helft uns dieses Land wiederaufbauen !<«
    »Und sind welche geblieben?«
    »Ich.«
    Eliav blickte auf seinen Freund mit jener gebändigten Leidenschaft, mit der die Geschichte Männer besonderen Einfühlungsvermögens bedenkt. Dann setzte er sich hin, niedergedrückt von der überwältigenden Kompliziertheit des Flüchtlingsproblems, und beschwor noch einmal jene schicksalhaften Tage herauf, als die Araber aus dem Land flohen. »Mehr als zwanzigtausend haben Akko an dem einen Tag verlassen«, sagte er, »und ich bin von einem Mann zum andern gegangen. und nur dich konnte ich überzeugen.« Er verbeugte sich vor Tabari und fuhr mit wachsender Bitterkeit fort: »Und jetzt wollen sie zurückkehren. Jetzt, wo das Land fruchtbar ist, die Läden voller Waren sind, wo die Schulen sich auszahlen und die Moscheen geöffnet sind. Jetzt wollen sie wiederkommen. Vielleicht ist es zu spät. Wir sehen in Zypern, was passiert, wenn man versucht, zwei verschiedene Völker zu zwingen, in einem Status von Mehrheit und Minderheit zu leben. Oder wärest du dafür, daß wir uns hier ein zweites Zypern heranziehen?«
    »Ich erwarte von einem Staat, daß er nicht nur Moral predigt, sondern auch moralisch handelt. Hole wenigstens einen Bruchteil dieser Flüchtlinge zurück, um zu beweisen.«
    »Das werden wir. In meiner Rede werde ich auch dieses Angebot noch einmal machen. Und wir werden mehr als nur einen Bruchteil zurückführen. Wir werden sie in aller Brüderlichkeit aufnehmen. Aber eine Million? Die danach trachten, uns zu vernichten? Und wenn uns damals nur sechshunderttausend verlassen haben? Nein, mein lieber Freund. Du kannst nicht von uns verlangen, daß wir uns unser eigenes Grab schaufeln.«
    »Ich werde den Posten in Jerusalem nicht annehmen«, sagte Tabari schließlich. »Aber ich möchte dir noch etwas sagen. Als wir auf die Schichten aus der Zeit der Kreuzzüge stießen, da habe ich dir folgendes gesagt. ich weiß es noch wie heute:
    Wir Moslems haben damals nach zweihundert Jahren die Europäer vertrieben, und wir könnten euch auch jetzt wieder ins Meer treiben. Jetzt erst komme ich allmählich zu der Meinung, daß ihr doch für lange Zeit hierbleiben werdet.«
    »Es tut mir leid, daß du uns nicht helfen willst«, sagte Eliav mit ehrlichem Bedauern.
    »Ich werde immer Araber bleiben«, erwiderte Tabari.
    »Aber an dem Tag in Akko, 1948. warum bist du damals nicht ebenfalls auf und davon?«
    »Ich gehöre zu diesem Land«, sagte der Nachfahre des Geschlechts Ur. »Diese Quelle, diese Ölbäume. Mein Volk ist schon lange vor dem deinen hier ansässig gewesen. Als es angebracht war, Kanaaniter zu sein, waren wir Kanaaniter. Aus ähnlichen edlen Beweggründen wurden wir Phönizier, und als die Juden das Land beherrschten, waren wir Juden, und dann Griechen, Römer, Christen, Araber, Mamelucken, Türken. Wenn ihr uns gestattet, daß wir Land besitzen, ist es uns ganz und gar gleichgültig, in welcher Kirche wir beten oder welche Flagge wir grüßen sollen. Als mein Großvater Statthalter von Tiberias war, hat er die meiste Zeit damit zugebracht, an seine eigenen Interessen zu denken, und mein Vater, Sir Tewfik, hat den Engländern in der gleichen unvoreingenommenen Art gedient, weil das einzige, was wir wünschen, nur das Land ist.«
    »Warum aber dieses Land, Dschemail? Was ist denn so Besonderes an diesem Land?«
    »Weil hier die Spannungen der Welt besonders spürbar aufeinandertreffen. Wenn dieses Land sogar für Gott, Mose, Jesus und Mohammed gut genug war, von ihnen auserwählt zu werden, ist es auch gut genug für mich.«
    »Du glaubst nicht an Gott, nicht wahr, Dschemail?«
    »Doch, ich tue es. Es muß einen Gott der Erde geben, der in Quellen lebt wie der unsrigen oder auf Bergen wie dort drüben oder in Olivenhainen, die sich selbst auf ewig erneuern. Vielleicht lebt er sogar in den Religionen, die aus diesem seinem Land emporgewachsen sind. Aber er kann nicht als Fremder in dem Land existieren, das ihn geboren hat.«
    »Wir Juden glauben an die gleiche innige Verbundenheit mit Gott, glauben auch an ein besonderes Land und an ein auserwähltes Volk. Wir sind Brüder von alters her, Tabari, und werden uns noch oft begegnen, weil wir Verständnis
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