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Die Quelle

Titel: Die Quelle
Autoren: James A Michener
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zu erledigen hattest, das hast du erledigt. Du hast gesehen, daß wir Frommen die Absicht haben, für diese Nation zu kämpfen. Nicht ein einziges Gebot des Gesetzes darfst du ändern.« Und dann, als wisse er, daß er nur noch eine kurze Zeit zu leben hatte, richtete er sich auf und küßte Eliav auf beide Wangen. »Die Toten sind tot«, flüsterte er, »aber sie verlassen sich auf uns, daß wir ihre Hoffnungen Wirklichkeit werden lassen.« Nach diesen Worten folgte der Rebbe von Wodsch den anderen durch die engen, stillen Straßen von Zefat.
    Eliav war allein in der Stadt, um die er einmal gekämpft hatte. Sinnend ging er durch die Gassen hinunter zum Fuß der von den Engländern gebauten Treppe. Eine Wallfahrt war es zu der Stätte, die ihm in den letzten Jahren seines Lebens so vieles bedeutet hatte. Da lag sie vor ihm mit ihren einundzwanzig Absätzen, die erklommen werden wollten. In ehrfurchtsvollem Gedenken begann er den Aufstieg.
    Eins, zwei drei: Zur Linken stand das jüdische Haus, das allen Angriffen getrotzt hatte. Noch immer waren seine Wände von Einschüssen durchlöchert. Hier hatte Vered Jewneski gekämpft. Drei arabische Angriffe waren abzuschlagen, denn das Haus mußte gehalten werden, wenn nicht das ganze jüdische Viertel verloren sein sollte. So jung war sie gewesen und so tapfer.
    Vier, fünf, sechs, sieben, acht: Zur Rechten fiel sein Blick auf die arabische Moschee, wie er sie am Morgen des Sieges gesehen hatte, und zur Linken sah er die klobige Synagoge des Rabbi Jom Tow Gaddiel. Immer noch stand sie da wie abwehrbereit. Neun, zehn: Schmerzerfüllt blieb Eliav stehen. Hier, von diesen Treppenstufen aus, hatte Ilana Hakohen den ersten arabischen Angriff abgewehrt. Kinder spielten jetzt dort unten. Wenn sie einmal erwachsen sind - werden sie wohl auch den Mut aufbringen, das zu tun, was Ilana damals getan hat? Dieses großartige Mädchen: Ihre Hingabe an die große Sache hatte ihr so viel Kraft verliehen. Wo wird es so etwas noch einmal geben?
    Elf, zwölf, dreizehn: Eliav blieb stehen, um die Araberhäuser dort unten zu betrachten. Sie waren immer noch blau gestrichen, um Böses abzuwenden. Dreizehnhundert Jahre lang hatte dieses Blau sie geschützt - aber zum Schluß war es doch machtlos gewesen. Wie bezaubernd sie aussahen, diese blauen arabischen Häuser mit ihren hübschen Säulenvorbauten und den kleinen Gärten. Und wie öde waren sie jetzt. Verfallen die Dächer und leer, starrten sie zu ihm hinauf, der teilnahmslosen Sonne entgegen. Die Araber - ich habe sie nie gehaßt. Ich wünschte mir nur, die Häuser blieben so, mit ihren schlanken Säulen und ihren Gärten - blieben Bestandteil dieses meines Landes so, wie es einmal gewesen ist. Vierzehn, fünfzehn: Eliav befand sich nun auf dem kleinen Platz, wo die Bäume so üppig grünten, auf allen Seiten von Blumen umrahmt, wo sich Reben an der Mauer des jüdischen Viertels emporrankten, während sich auf der arabischen Seite sechs große Lebensbäume erhoben, die dem Platz Würde und Schönheit verliehen. Hier hatten Ilana und Vered den Feind drei Stunden lang aufgehalten. Die Stämme der Bäume zeigten immer noch die Spuren der Geschosse. Dahinter wuchsen Purpurwinden, ein strahlend blaues Blütenmeer. Selbst wenn die Treppe von Zefat nur dieses eine Eckchen einschlösse, sie bliebe immer unvergeßlich. Sechzehn, siebzehn, achtzehn: Als Eliav sich nun dem obersten Treppenabsatz näherte, sah er die düster grauen Mauern der Polizeistation. Auch sie zeigten noch die Spuren der Einschläge. Hier hatten Teddy Reich und Nissim Bagdadi gestürmt, bis sie schließlich diese scheinbar uneinnehmbare Bastion der Araber doch noch nehmen können
    - wie, blieb eigentlich nach wie vor ein Rätsel. Neunzehn, zwanzig, einundzwanzig: Eliav verharrte. Nicht einmal in Gedanken vermochte er Worte zu formen. Er spürte nichts als den lähmenden Schmerz um den verlorenen Freund. Hier war Bagdadi gefallen. Dort hatten Ilana und Bar-El gestanden. Auch sie waren tot. Wie untragbar schwer ist die Last, die ein Mann auf sich nehmen muß, wenn er Stufe für Stufe der Vergangenheit ins Antlitz schaut und er, der Überlebende, sich zur Aufgabe gesetzt hat, so zu regieren, wie seine toten Kameraden es gewollt hätten.
    Nun noch die letzten Stufen. Eliavs ganzes Denken war jetzt den Ruinen der Kreuzritterburg zugewandt. Von dort oben aus hatte er zum erstenmal Galilaea im Schnee gesehen. Beim Hinaufsteigen erblickte er im Osten das unbezwingliche Fort. Wie sehr hatte
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