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Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)

Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Max Bentow
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letztes Treffen lag nun schon beinahe ein Jahr zurück.
    Er blickte zu dem Fenster im zweiten Stock hinauf. Ihn verließ der Mut. Sein Besuch war ja nicht einmal angekündigt.
    Er sah zur Uhr. Wenn er sich nicht täuschte, müsste sich Richard Trojan gerade von seinem Nachmittagsschlaf erhoben haben und sich einen starken Kaffe kochen.
    Er klingelte an der Haustür.
    Nichts rührte sich. Er trat ein paar Schritte zurück und bemerkte eben noch, wie sich die Gardine bewegte, dahinter ein Schemen am Fenster, das schlohweiße Haar seines Vaters. Er wollte gerade die Hand heben, ihm ein Zeichen geben, etwas rufen, irgendwas, da schnarrte der Türöffner.
    Er ging ins Treppenhaus, stieg beklommen die Stufen hinauf. Die Wohnungstür war nur angelehnt, er trat ein.
    Sein Vater saß im Wohnzimmer, griffbereit vor sich auf dem Tisch die Fernsehzeitschrift, den Tabak, die Blättchen und das Feuerzeug. Frisch aufgebrühter Kaffee dampfte in einer Tasse. Es war seltsam, in den Gewohnheiten seines Vaters kannte er sich gut aus, nur nicht in dessen Innenleben.
    »Nils.«
    Das war alles, keine Begrüßung.
    Sie blickten sich eine Weile an, Trojan rührte sich nicht. Schließlich nickte sein Vater stumm zum Sessel hin, und er setzte sich.
    »Kaffee?«
    Trojan musterte ihn, die müden kleinen Augen, das weiße Haar. In der verkrüppelten Hand steckte die übliche Kippe, die Finger gelb vom Nikotin.
    »Nur ein Glas Wasser vielleicht.«
    Der Vater wollte sich aus dem Sofa erheben, doch Trojan winkte ab.
    Er ging in die Küche, nahm ein Glas aus dem Schrank und drehte den Hahn auf. In der Spüle befanden sich Teller und Besteck vom Mittagessen. Die Uhr an der Wand tickte. Es roch nach altem Mann, Einsamkeit und Zigarettenqualm.
    »Du siehst blass aus«, sagte der Vater zu ihm, als er wieder vor ihm saß. »Dein Beruf bekommt dir nicht.«
    Trojan trank das Glas leer. Es war zu heiß hier drin, das Fenster nur einen Spalt geöffnet. Vögel lärmten draußen in den Bäumen, irgendwo weinte ein Kind.
    »Ich hab dir immer gesagt, dass dieser Job nichts für dich ist.«
    Der Vater führte die verkrüppelte Hand zum Mund und sog an der Kippe.
    Seit seinem Unfall konnte er die Hand nicht mehr richtig öffnen.
    Wieder einmal fragte sich Trojan, warum er die Zigarette eigentlich nicht zwischen die Finger seiner gesunden Linken nahm. Als müsste er stets auf seine Behinderung hinweisen, als wollte er seinem Gegenüber damit Ehrfurcht einflößen.
    Und mit welcher Verbissenheit er am Selbstdrehen der Zigaretten festhielt, einhändig und das sehr geschickt, ohne auch nur einen einzigen Tabakkrümel fallen zu lassen.
    Das schien er nach seinem Unfall heimlich geübt zu haben, Stunde um Stunde.
    »Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen?«
    Der Vater blies den Rauch aus. »Für was Handwerkliches konnte man dich jedenfalls nicht begeistern. Ich weiß noch, wie ich dich mal mit in die Werkstatt genommen hab. Dir haben die Augen getränt, von den Sägespänen, vermute ich mal.«
    Trojan straffte die Schultern.
    Es ist zwecklos, dachte er. Ich muss wieder gehen.
    Ihn deprimierten die Tapeten, die schief hängenden Kunstdrucke, das Wachstuch auf dem Tisch. Er betrachtete die Haare am Kehlkopf seines Vaters, eine Stelle, die er beim Rasieren übersehen hatte.
    Sein Blick wanderte zu den Haarbüscheln in den Ohren und den Nasenlöchern, er bemerkte, dass ein Knopf an seinem Hemd fehlte.
    Ihm entging nicht, dass sein Vater noch immer eines der gleichen weißen Unterhemden trug, die er seit Jahren beim Woolworth in der Leonorenstraße im Fünferpack kaufte.
    Es vergingen einige Minuten, in denen sie sich anschwiegen.
    Dann richtete sich der Vater ein wenig auf. Vor Schmerz verzog er das Gesicht, Trojan wusste, dass ihm der Rücken zu schaffen machte.
    »Was willst du? Du tauchst doch sonst hier nicht einfach unangemeldet auf.«
    Trojan versuchte seinen pochenden Herzschlag zu ignorieren.
    Schließlich zog er das Polaroid aus der Hosentasche und legte es wortlos auf den Tisch.
    Der Vater blickte es an, verzog keine Miene.
    »Erinnerst du dich noch an diese Frau?«
    Er rührte sich nicht. Die Kippe brannte in seiner Hand runter.
    Seine Gesichtsmuskeln zuckten erst, als die Glut seine Haut berührte.
    Er zerdrückte die Zigarette im Aschenbecher.
    Als er die gesunde Hand nach der Kaffeetasse ausstreckte, konnte Trojan nicht das geringste Zittern registrieren.
    Er nahm einen Schluck und setzte die Tasse ruhig wieder ab.
    »Woher hast du das
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