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Die Pubertistin - eine Herausforderung

Titel: Die Pubertistin - eine Herausforderung
Autoren: Baumhaus
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    Um ehrlich zu sein: Wir finden’s nicht ungeil. Schön, dass der Pädagoge wirklich ein Auge auf die Jugend hatte. Gut, dass sie mal ein paar Stunden an die frische Luft gekommen ist. Sehr gut sogar, dass sie nicht geraucht hat. Und das mit der strengen Nachtruhe verstehen wir auch sofort. Bei der betreuten Reisegruppe handelte es sich schließlich um zeugungsund gebärfähige Teenager. Der sympathische Klassenlehrer hätte sich bei der nächsten Elternversammlung ganz schön was anhören können, wenn die Kronsöhne oder -töchter daheim von einer Woche Alkohol, Nikotin, wilden Knutschereien und intensiveren Kontaktaufnahmen mit dem jeweils präferierten Geschlecht geschwärmt hätten.
     
    Nicht umsonst habe ich schließlich 160 Euro bezahlt, damit die Klassenreise nicht so läuft wie meine damals. Die war vielleicht aufregend. Der coole Bernd Neumann hatte seinen Kassettenrekorder mit den besten Udo-Lindenberg-Songs dabei, die etwas frühreife Liane Klawe den billigen Korn, und auf dem Jugendherbergsklo zu rauchen stellte ein Menschenrecht dar.
     
    Tagsüber dann wurden wir durch sehenswürdige Liegenschaften geführt, die wir aber leider kaum sahen. Erstens weil wir uns entschlossen hatten, unseren Ponyvorhang nur in Gegenwart von Altersgenossen beiseitezuschieben. Zweitens weil wir, sobald Erwachsene das Wort an uns richteten, leicht abwesend nach schräg unten zu schauen pflegten.
     
    Erst gegen Abend wurden wir wieder aktiv: Zimmerhopping, Udo, Korn und Knutschen. Um unsere Eltern über unsere Abwesenheit hinwegzutrösten, schrieben wir ihnen Ansichtskarten. Hallo, stand da, viele Grüße. Fetzt voll ein hier, bis Freitag!!! Süß, wie die sich gefreut haben.



Hat sie dich angerufen?, fragt die Pubertistin mit Jammerstimme. Ja, antworte ich, du hast ihre Sonnenbrille kaputt gemacht. Das ist voll fies, schmollt sie in den Hörer, wirklich voll fies, dass die gleich petzen geht! Die kann was erleben!
     
    Man könnte meinen, die Pubertistin rede von einer echten Feindin. Vielleicht einem Mädchen aus ihrer Klasse, die im Sportunterricht gern mal über ihren Hintern lästert. Oder über eine mir unbekannte Hauptstädterin, die ihr beim Chillen im Einkaufszentrum die Geldbörse geklaut hat. Mal abgesehen davon, dass da wenig drin gewesen wäre, verwünscht die Einssechzigblondine hier eine ihr nahestehende Verwandte: Bei der Geschmähten handelt es sich nämlich um ihre Schwester. Und die hat sie verpetzt, weil sie sich ihre große dunkle Sonnenbrille geborgt und ihr später kaputt und kommentarlos zurückgelegt hat. Die erwartbare Entrüstung der Schwester hat die Pubertistin nicht mit einer Entschuldigung erwidert, sondern mit ihrem Hab’-dich-nicht-so-Beleidigtsein.
     
    Die Schwester hat das Schlimmste schon länger hinter sich. Sie ist volljährig und hat Abitur, sie mag sich selbst, hat einen festen Freund, und wir können mitihr über fast alles vernünftig reden. Sie hält ihr Zimmer in Schuss und räumt auch mal ungefragt die Spülmaschine aus. Das war natürlich nicht immer so – auch die Schwester hatte schwere Zeiten mit uns. Und wir mit ihr. Es wurde geschimpft und gemault, geschmollt und geschwiegen. Es gab schlaflose Nächte, in denen ich vergeblich auf das Klappen der Haustür lauschte. Auf dem Höhepunkt ihrer Pubertät fanden wir sie sturzbetrunken vor unserer Haustür – und bis heute hoffen wir, dass da wirklich nur Alkohol im Spiel war.
     
    Das alles weiß die Pubertistin nicht mehr, jede Erinnerung an diese krisenhafte Familienphase ist ihrem Vergessen anheimgefallen. Für sie ist die Schwester eindeutig unser Lieblingskind, war sie schon immer. Eine Schleimerin von Format, die sich uns und unseren unangemessenen Wünschen nach Kommunikation und etwas Struktur – von Ordnung soll hier nicht die Rede sein – anbiedernd unterworfen hat. Und das, obwohl Eltern doch die natürlichen Feinde jeder einigermaßen coolen Pubertistin sind.
     
    Es kommt immer mal wieder vor, dass die Pubertistin im Streit aufjault: Jaaa, die Schwester, die habtihr sowieso viel lieber! Und ich bin immer nur die Blöde! Manchmal erwäge ich dann kurz, stimmt genau! zu antworten. Einfach um mal zu sehen, was dann passiert. Aber ich bin keine Kinderquälerin. Außerdem weiß ich ja, dass auch die Schwester schon öfter versucht hat, mir das Bekenntnis abzuringen, welche von beiden ich nun lieber hätte. Keine. Ist doch klar. Aber das ist ja nun auch wieder eine unbefriedigende Antwort für ein
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