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Die Pubertistin - eine Herausforderung

Titel: Die Pubertistin - eine Herausforderung
Autoren: Baumhaus
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anderen Schüler Kurs auf Meta, sie nehmen sie in die Mitte, ganz beiläufig, und fangen an zu lachen und zu schwatzen. Lukas lässt ein letztes Mal das F-Wort fallen. Und jetzt können auch wir gehen. Die mittlere Reife haben hier offenbar alle.

Alles in Ordnung also. Aber da ist was, was Schlimmes. Was? Dann fällt es mir ein. Der vorletzte Tag mit der Pubertistin bricht an, morgen abend reist sie ab. Verlässt mich, geht weg in ein fremdes Land, zu anderen Leuten, fort von mir. Die Angst packt mich. Was verdammt habe ich mir bloß dabei gedacht, dieses wunderbare Mädchen wegzugeben? Sie wird unglücklich sein dort, gefährdet, sie wird uns alle schrecklich vermissen und schließlich eine Essstörung kriegen. Oder ein Drogenproblem. Hat sie nicht kürzlich erst Elektras Mutter erwähnt, die gesagt hat, jenes Ausland sei ganz großartig, schon wegen des guten Dopes ...? Oh Mann!
     
    Ich reiße mich zusammen. Nichts als Hirngespinste! Die Summe aller Erfahrungen sagt mir ja, dass der Pubertistin gar nichts passieren wird, außer dass sie endlich doch noch diese so seltene wie seltsame Sprache lernt. Sie wird neue Freunde finden, wie gewohnt ihre Industrietoasts verdrücken und dabei sehr glücklich sein. Sie kriegt eine coole Gastmutter und den frechen kleinen Bruder, den sie sich immer gewünscht hat – beiden kann sie ein Jahr lang ihre soziale und emotionale Kompetenz zur Verfügung stellen, die wir uns in den vergangenen sechzehnJahren gemeinsam erkämpft haben. Das wird sicher sehr aufregend für alle Beteiligten.
     
    Trotzdem, ich habe Panik. Das Gefühl, mich von etwas Eigenem, Körperlichem trennen zu müssen, ist so präsent, dass mein Atem flach wird und der Magen sich zusammenkrampft. Jetzt nicht durchdrehen!, ermahne ich mich. Die Schwester der Pubertistin war auch schon ein Schuljahr weg, erinnere dich, wie schnell der Abschiedsschmerz verflogen ist und wie gut ihr diese Zeit getan hat. Ja, ich weiß das alles, ich würge meine Tränen runter und finde noch einmal zurück in den Schlaf.
     
    Vier Stunden später breche ich zur Arbeit auf und schaue vorher noch mal bei meinem potenziellen Auslandsjährling vorbei. Da liegt sie in ihrem Chaos. Sie schnorchelt leise im Schlaf, neben ihrem Kissen liegen Telefon und Handy, auf dem Boden der neue Laptop, den ich ihr – nicht ganz uneigennützig – zum Abschied doch noch geschenkt habe. Ich schaue mir die kleine Multitaskerin noch mal an und wende mich zum Gehen, da öffnet sie die Lippen und nuschelt, sie sei für heute abend nach unserem Abschiedsschnitzelessen noch mit ein paar Freundenam Strand verabredet. Wer bin ich, ihr das zu versagen? Mach das, kleine Blondine, sage ich und drücke ihr einen Kuss auf die feuchte Stirn.
     
    Und so verläuft dieser letzte Abend dann auch. Als ich wieder zu Hause bin, packen wir ihren Koffer, suchen eine Stunde lang Pass und Ticket und gehen anschließend Schnitzel essen und Brause trinken. Gegen neun sind wir zurück und die Pubertistin verschwindet zum nahen Strand. Aber um eins zu Hause sein!, mahnen der Vater und ich, dann setzen wir uns auf die Terrasse, lauschen den Geräuschen eines ostdeutschen Hochsommerabends und gehen schließlich schlafen.
     
    Der nächste Morgen bringt unseren letzten, allerletzten gemeinsamen Tag. Nur schwer kommt die Pubertistin hoch, aber das ist nun wirklich nichts Neues. Ich hingegen düse durchs Haus, räume, wische, mahne. Es ist meine übliche Reisehysterie – nur dass diesmal nicht ich in den Flieger steige, sondern mein Kind. Ein Wunder, dass sie es schafft, mich für einen Moment auszubremsen und zum Zuhören zu bewegen. Die Sache duldet keinen Aufschub. Es ist nämlich so, dass die Pubertistin sich inallerletzter Minute an einem nächtlichen Vorortstrand noch ein hübsches kleines Problem angelacht hat. Das Problem heißt Paul und ist verliebt in die Pubertistin. Und, noch schlimmer, sie auch in Paul. Mit einer irritierenden Sachlichkeit, um die ich dieses Kind beneide, legt sie mir die Problemlage dar. Erstens: Paul und sie sind verknallt. Zweitens: Weil sie ja heute ins Ausland abreist, haben sie beschlossen, dass sie keine Beziehung haben werden. Drittens: Das ist Scheiße, aber nicht zu ändern und verdirbt ihr jetzt doch ein bisschen die Laune.
     
    Ich bin elektrisiert von diesen Neuigkeiten. Mein Kind! Großartig! So verknallt – aber eben auch so vernünftig, cool und einsichtig! Kurz denke ich an Frank Thienemann, den ich mit 14 Jahren unter dem Einfluss von
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