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Die Pubertistin - eine Herausforderung

Titel: Die Pubertistin - eine Herausforderung
Autoren: Baumhaus
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schildere ich flüsternd unseren dramatischen Vormittag. – Du bist also schuld, sagt die Oma und kneift der Pubertistin freundlich in die Wange. Na hör mal, antwortet die, ich hab’ sie doch nicht darum gebeten, mich anzuschreien. Oh Mann! Leider fehlt mir für eine angemessene Entgegnung die Stimme.

Ich ahne, dass dieser Hauch von Exklusivität ein nicht unwesentlicher Grund gewesen sein mag, dass sie dorthin will. Das macht nämlich keiner sonst. Wir buchen das Flugticket für sie und kontrollieren, ob ihr Pass noch gültig ist. Wir stellen einen Freistellungsantrag beim Schulamt und fangen an, uns Gedanken über Gastgeschenke zu machen. (In Tims Fall ist die Sache klar, ihm reicht eine Wagenladung mittelalter Gouda.) Was wir aber noch nicht bedacht haben, ist die Sprachbarriere.
     
    In jenem fernen Ausland nämlich, in dem das schöne Wetter zu Hause ist, spricht man ein Idiom, das keinerlei Anknüpfungspunkte an die sprachlichen Fähigkeiten einer ostdeutschen Gymnasiastin bietet. Eher klingt das, was wir in unserem Urlaub auf den Straßen gehört haben, wie ein übler Rachenkatarrh. Nur einer weisen Bildungspolitik ist es zu danken, dass dort fast jeder gut Englisch spricht. Wenn die Pubertistin in diesem Land zur Schule gehen und mehr als den Sportunterricht absolvieren möchte, braucht sie dringend eine fremdsprachliche Schnellbesohlung.
     
    Der Vater bucht einen Fernkurs für seine Tochter. Der Deal ist, dass zwei Mal pro Woche eine Lehrerinbei uns im Speckgürtel anruft und mit der Pubertistin das zuvor selbstständig Erlernte abfragt, erweitert und verbessert. Der Preis dafür, dass sie sich später wenigstens mündlich dort zurechtfinden möge, verhält sich im umgekehrt proportionalen Verhältnis zur Größe des Landes. Dafür dass nur ein paar Millionen Menschen diese Sprache sprechen, nimmt das Institut ganz schön viel Geld – so viel, dass wir dafür zu dritt einen schönen Urlaub verbringen könnten. Und weil die Sache so unverschämt teuer ist, reden wir der Pubertistin ins Gewissen. Wir nennen ihr die Dollarzahl, schauen ihr tief in die Augen und sagen: Wir zahlen das, aber im Gegenzug musst du auch richtig pauken. Du musst jeden Tag üben, wir verlassen uns auf dich, und wenn du Hilfe brauchst, sag es. Versprich es uns in die Hand!
     
    Für die Pubertistin ist das alles abstrakt. Sie sagt Ja und Amen zu jeder Forderung, wenn nur am Ende das Jahr in der Schönwetterzone steht, und schlägt lässig ein. Im Übrigen – aber um das zu kapieren, brauchen wir noch ein paar Wochen – glaubt sie, dass sie das schon irgendwie hinkriegen wird. Denn es ist keineswegs so, dass wir unsere kleine Sprachschülerin in der nächsten Zeit über Vokabelkartenbrüten sehen würden. Und statt der per Kurierpost bei uns eingegangenen Sprach- CD hören wir weiter ausschließlich generationsentsprechende Musik aus ihrem Zimmer dringen. Und wenn ich sage: Sag mal was! Dann sagt sie: Ich bin doch nicht dein Papagei. Auf mein unnachgiebiges Drängen hin krächzt sie mir die Zahlen von eins bis zehn vor. Nach fünf Wochen ist es immer noch dasselbe: eins bis zehn.
     
    Na toll, sage ich zum Vater, das war ja wohl rausgeschmissenes Geld! Der will das nicht hören. Er ist tief enttäuscht von seiner Pubertistin, weil er geglaubt hatte, allein das Nennen der Summe, die monetäre Gewissensklemme, würde aus ihr eine emsige Sprachschülerin machen. Abends vor dem Einschlafen gesteht er mir, heute laut und deutlich gehört zu haben, dass unsere clevere und charmante Einssechzigblondine mit ihrer Sprachlehrerin auf Englisch telefoniert hat. Auf Englisch! Da hat sie die nette Frau ja schön eingewickelt.
     
    Wir beschweren uns beim Institut. Mag sein, dass die Lehrerin hin und wieder gern mal ihr Englisch auffrischt – aber dafür zahlen wir nicht. Wo bleibt bitte schön die versprochene Sprachkompetenz? DieAntwortmail der Managerin ist niederschmetternd. Keineswegs sei es so, dass die Pädagogen ihres Instituts ihre Unterrichtsstunden mit Englischkonversationen vertrödeln wollten. Aber unsere Tochter sei ein, nun ja, spezieller Fall. Anders als alle anderen Schüler sei sie unvorbereitet, habe ihre Hausarbeiten nicht erledigt, sie wirke lustlos und sei während der Telefonstunden ständig abgelenkt, weil ihr Handy bimmele. Entsprechend niedrig sei das Niveau, auf dem sie sich sprachlich nach wie vor bewege, und deshalb müsse die Lehrerin der Pubertistin ab und zu mit Hilfe des Englischen auf die Sprünge
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