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Die Pubertistin - eine Herausforderung

Titel: Die Pubertistin - eine Herausforderung
Autoren: Baumhaus
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helfen.
     
    Im Klartext: Ihre Tochter ist eine verwöhnte Göre, die nicht mitmacht, obwohl meine Leute sich für sie den Arsch aufreißen. Wir haben verstanden und geben diese Kränkung umgehend an die Pubertistin weiter. Es wird sehr laut in unserem Häuschen am Ende der Sackgasse. Hätten wir ihr Ticket nicht schon bezahlt, würden wir die ganze Sache jetzt abblasen. Außer der Frage nach der Vertrauenswürdigkeit einer Sechzehnjährigen stellt sich auch die nach ihrer Lebensfähigkeit am Zielort. Wie soll sie sich zurechtfinden in diesem fernen Ausland? Wieeine Busfahrkarte kaufen? Wie in der örtlichen Systemgastronomie ihr Fastfood bestellen? Wie – und bei diesem Gedanken wird mir ganz übel – einem Jungen klarmachen, dass zu engerem körperlichem Kontakt zwingend ein Kondom gehört? Diese wichtige Vokabel hat wohl nicht einmal im Lehrplan der engagiertesten Sprachlehrerinnen Platz.
     
    Wenigstens diese Hürde muss noch vor der Abreise genommen werden. Mag sein, der Aufbruch der Pubertistin ins Ungewisse ist nicht mehr aufzuhalten, aber das heißt noch lange nicht, dass ich eine Teenie-Oma werden muss, nur weil das Kind nicht seine Hausaufgaben macht. Ich beschließe, meine Tochter mit dem Nötigen zu versorgen und steuere die nächste Drogeriekette an. Dort stelle ich fest, dass sich im Kondombusiness in den letzten anderthalb Jahrzehnten einiges getan hat.



An alles ist gedacht. Es gibt Kondome für Allergiker, kompostierbare für Naturfreunde, Kombipackungen mit Fruchtgeschmack, große und kleine, dann wieder welche, die aussehen wie Heftpflasterpackungen. Ich bin sehr beeindruckt davon, was der freie Markt da alles her vorgebracht hat und beschließe,in diesem Punkt nicht knauserig zu sein. Ich schnappe mir eine pinkfarbene Packung mit silbernen Sternen drauf – das scheint was für junge Mädchen zu sein.
     
    Zu Hause angekommen, gebe ich mich betont locker. Es ist eine knifflige Sache, der eigenen Tochter Verhütungsmittel zu schenken, jedenfalls in der Praxis. Tatsächlich haben wir in all den Jahren mit unseren Kin- dern eher selten das getan, was man Offen-über-Sex-sprechen nennt. Mag sein, andere Familien sind da weiter, aber selbst wenn mal zur Rede stand, dass der Vater und ich wohl etwas miteinander laufen haben könnten – könnten! –, hielt sich die Pubertistin schreiend die Ohren zu. Und ganz ehrlich: Dafür hatte ich vollstes Verständnis, ich will mir bis heute nicht ausmalen, was meine Eltern da ... kreisch!
     
    Ich gehe also in ihr Zimmer und lege der Pubertistin das schimmernde Päckchen auf den Schreibtisch. Fürs Ausland, sage ich, bei deinem Sprachvermögen wäre es vermutlich unmöglich, dir dort welche zu kaufen. Irritiert schaut sie mich an und studiert die Verpackung. Was soll ich damit? Na, was wohl, antworteich und lächle verständnisheischend. Mama, seufzt sie, wofür hältst du mich! Guck mal, was da steht! Erst jetzt schaue ich genauer hin. Von besonders positionierten Rippen ist da im Kleingedruckten die Rede, von Noppentextur für maximale Stimulation. Oh mein Gott! Ich fühle mich wie eine Puffmutter. Na, macht nichts, sagt die Pubertistin, die schenke ich der Schwester. Aaaargh!, schreie ich und halte mir die Ohren zu.

Von eifrigem Lernen, Nervosität gar, spüren wir jedenfalls nichts. Im Gegenteil, die Einssechzigblondine nutzt ihre schulfreie Vorbereitungszeit zu ausgiebigem Schönheitsschlaf. Sie erfreut sich an Industrietoasts und bricht gegen Nachmittag keineswegs in ihre Lerngruppe mit Anna auf, sondern entert die Vorortbahn, um mit Elektra und Yasmin die Sommerkollektionen der hauptstädtischen Textildiscounter fachfraulich zu sichten.
     
    Der Vater und ich sind beunruhigt. Kind, fragen wir, brauchst du Hilfe? Sie schaut uns verständnislos an: Wobei? Na bei deinen Prüfungsvorbereitungen. Welche Vorbereitungen, fragt sie, ich kann das doch alles. Oh Mann! Es ist nicht so, dass wir ernsthaft befürchten, sie würde den Abschluss nicht schaffen. Aber natürlich wünschen wir ihr, dass er passabel läuft. Die Frustrationsschwelle der Pubertistin ist recht niedrig, bei Misserfolgen droht allen Familienmitgliedern tagelanges Giften, Nörgeln und Türenknallen. Aber unsere Prüfungskandidatin pokert offenbar gern hoch, sie schläft, isst und chillt, dass es seine Art hat. Einen Tag vor der Matheprüfung räumt sie sich dann doch noch einen Vorbereitungsslot ein, gegen 18 Uhr trifft sie, nach Rauchriechend, aus der Hauptstadt ein, um den Stoff von vier
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