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Die Pubertistin - eine Herausforderung

Titel: Die Pubertistin - eine Herausforderung
Autoren: Baumhaus
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Fahrten durch das Land auf der Rückbank des kleinen Mietwagens sitzt, die Kopfhörer im Ohr, den Blick gesenkt, die Haare schön gleichmäßig vor die Augen gezogen. Manchmal sagen wir: Guck mal da! Dann guckt sie da. Und dann wird der Pony wieder an seinen Platz drapiert.
     
    Erst wenn wir abends von unseren Ausflügen zu unseren Gastgebern zurückkehren, wird die Pubertistin wach. In dieser Familie nämlich lebt ein acht Jahre alter Junge namens Tim, und in dessen Gegenwart wird aus der eisernen Jungfrau auf der Stellewieder ein albernes Kind. Jeden Abend großes, großes Abkitzeln! Großes, großes Gackern! Große, große Umarmungen! Aus welcher Ecke ihres Gefühlshaushalts hat sie denn das nun wieder ausgebuddelt, fragen der Vater und ich uns. Aber wir sind einfach nur froh, dass sie auch mal was zu lachen hat.
     
    Gegen Ende des Urlaubs fahren wir für ein paar Tage ans Meer. Ihren kleinen achtjährigen Fan muss die Pubertistin leider zurücklassen, und das macht sie jetzt richtig sauer. Wenn wir auf der Autofahrt sagen: Guck mal da!, bleibt der Ponyvorhang geschlossen. Nur unter gutem Zureden schaffen wir es am Zielort, sie davon zu überzeugen, dass es am Strand schöner ist als im Hotelzimmer. Lustlos sitzt sie am Ufer, komplett angezogen, und lässt den weißen Sand durch ihre Finger rinnen.
     
    Wir sind jetzt mürbe. Dieses Kind hat es geschafft, dass wir uns richtig ärgern, sie überhaupt auf diese Reise mitgenommen zu haben. Flüsternd beratschlagen wir, ob wir sie beim nächsten Mal nicht wirklich einfach zu Hause lassen sollten, und wie wir das dann mit der sozialen Kontrolle geregelt bekämen. Die so Gescholtene spitzt die Ohren; sie ist jetzt nurnoch Millimeter von ihrem Ziel entfernt: unbegrenzte Freiheit mit Elektra und Yasmin.
     
    Um vor Wut über so viel Mistigkeit nicht loszuschreien, leiht der Vater sich am Strand Flossen und Schnorchel und geht den Kopf unter Wasser stecken. Ich lese derweil Zeitung, und die Pubertistin lässt noch ein paar Kilo Sand durch ihre Finger rinnen. Zehn Minuten später steht der Kindsvater triefnass und mit leuchtenden Augen vor unserem Handtuch: Wenn ihr euch das nicht anseht, schnauft er, verpasst ihr das Schönste! Mit diesen Worten schafft er das Unmögliche: Die Pubertistin erhebt sich kommentarlos, schlüpft in ihren roten Bikini und geht mit ihrem Vater schnorcheln.
     
    Eine halbe Stunde vergeht, eine Stunde – die beiden sind und bleiben weg. Als sie schließlich doch wieder auftauchen, ist aus der miesepetrigen Urlaubsboykotteurin mit den Hängeschultern ein euphorisiertes Ferienkind geworden. Los, los, das musst du sehen!, stammelt sie. Nimm Papas Schnorchel und Flossen, wir gehen zusammen rein! Es ist dies der Moment, in dem mir der Mut sinkt. Ach lass mal, wehre ich sie ab, ich weiß ja aus dem Fernsehen,wie es unter Wasser aussieht. Nüscht is, fängt sie vor Aufregung an zu berlinern, du kommst mit rin!
     
    Sie weiß es, ihr Vater weiß es, ich weiß es eh: Ich hasse tauchen, ich leide, wenn mein Kopf unter Wasser gerät – das muss ich wohl jetzt nicht zum tausendsten Mal betonen, oder? Doch alles Lavieren nützt nichts, hier steht mein Kind nach anderthalb Wochen Emotionsdiät und will mit mir etwas erleben. Wer bin ich, es ihr mit gleicher Münze heimzuzahlen? Eben. Das ist das Analogschinken-Prinzip.



Ich stecke mir den Schnorchel in den Mund, ziehe die Brille über den Kopf, klettere vom Steg ins Meer, verliere den Boden unter den Füßen ... und schwebe über einem Korallenriff mit allem drum und dran. Vor Schreck veratme ich mich, ich zapple, muss wieder hoch. So geht das noch zwei Mal: tauchen, japsen, zappeln. Dann reicht es der Pubertistin. Mit einem milden Lächeln nimmt sie mich bei der Hand, geht mit mir unter Wasser und führt mich durch die bunte Welt der Fische, Algen und Krebse. Ganz sanft schweben wir dahin. Wenn wir für meinen Geschmack zu nahe an einen Fisch heranschwimmen,kralle ich mich ängstlich an ihre Hand, und sie antwortet mit einem beruhigenden Gegendruck. Drohe ich abzudriften, greift sie nach dem Saum meiner Bikinihose und zieht mich sanft in ihre Richtung.
     
    Ein Rollentausch. Sie ist jetzt wie ich – damals, als sie noch ein kleines dünnbeiniges Mädchen war, das Angst hatte, von einer Mauer zu hüpfen. Versuch es einfach, spring, habe ich ihr zugeredet, ich fang dich auf. Versuch es einfach, sagt ihre Hand nun in meiner, solange ich bei dir bin, kann dir nichts passieren. Wäre ich tatsächlich dieses
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