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Die Prophezeiung von Umbria

Die Prophezeiung von Umbria

Titel: Die Prophezeiung von Umbria
Autoren: Deborah Hale
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gelehrt.
    “Vergiss nicht, Kind, der Allgeber ist ein Geist. Auch wenn sein Wille machtvoll ist und Wunder bewirken kann, so benötigt er doch unsere Hände, Lippen und unsere Herzen, um der Welt seine Gnade zu schenken.”
    Maura spürte, wie Scham in ihr hochstieg. Gerade jetzt hatte sie den Allgeber nicht durch sie sprechen lassen. Verlegen suchte sie nach Worten, um sich zu entschuldigen.
    “Ich bitte dich um Verzeihung.” Genau das hatte sie sagen wollen, aber die Worte kamen nicht aus ihrem Mund. Der Gesetzlose sprach sie. Er war jetzt von der Taille abwärts klar zu sehen, und auch der obere Teil seiner Gestalt trat immer deutlicher hervor.
    “So?”
    Er machte die traditionelle Respektsbezeugung vor ihr, eine Verbeugung mit leicht gesenktem Kopf. “Du hast mir das Leben gerettet, zwei Mal sogar, und ich habe dir bis jetzt kein Wort des Dankes gesagt. Ob du nun einen Lohn dafür verlangst oder nicht, ich stehe in deiner Schuld.”
    Maura wünschte fast, er wäre noch unsichtbar geblieben. Dann hätte sie seine Anwesenheit als weniger bedrohlich empfunden.
    Der Mann überragte sie um einiges und war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Sein Haar hatte die Farbe reifer Eicheln und fiel ihm zottig auf die Schultern. Eine böse Narbe zeichnete ein Kreuz auf seine linke Wange, und seine Nase war mindestens einmal gebrochen. Die tief liegenden Augen, pechschwarz wie eine mondlose Nacht, schienen viel zu sehen, aber nichts von seinem Innern preiszugeben. Die großen Hände sahen so aus, als könnten sie ihr mühelos alle Knochen im Leib brechen.
    “Hier können wir nicht bleiben.” Sie blickte zum Himmel. “Mit der Dunkelheit wird es noch kälter werden.”
    Und sie musste unbedingt nach Hause. Langbard war sicher schon außer sich vor Sorgen, besonders, wenn er das Hundegebell gehört hatte.
    “Dann geh jetzt. Ich will mich hier noch eine Weile ausruhen. Danach mache ich mich auf die Suche nach einem Ort, wo ich meine Verletzung auskurieren kann.” Er betrachtete seinen verwundeten Arm, der jetzt wieder voll sichtbar war.
    Da er ein schwarzes Gewand trug, konnte man nicht erkennen, wie stark die Wunde geblutet hatte. Wie wollte er die Pfeilspitze erntfernen?
    “Hast du irgendwo einen Unterschlupf oder vielleicht Freunde, zu denen ich dich bringen kann?”, fragte Maura.
    “Ich habe keine Freunde mehr”, erwiderte er und deutete mit dem Kopf zum Wald hin, wo die Gesetzlosen in den Hinterhalt geraten waren. “Bemüh dich nicht, ich komme schon allein zurecht. Ich bin immer allein zurechtgekommen.”
    Vielleicht. Aber war er auch jemals zuvor so schwer verletzt gewesen?
    Es geht mich nichts an, dachte Maura. Sie hatte schon mehr für ihn getan, als er verlangen konnte.
    Aber was hatte er davon, wenn er dem tödlichen Schlag eines Han-Schwerts entkommen war, nur um jetzt zu verbluten und zu verhungern?
    Sie fühlte sich verantwortlich für diesen Burschen. Sollte sie ihn in Langbards Cottage bringen? Das konnte für sie und ihren Beschützer gefährlich werden.
    Außerdem war es noch ein weiter Weg bis dorthin, und sie hatte es kaum geschafft, den schweren Mann hierher zu schleppen. Was, wenn sie noch mehr Hunden oder Patrouillen der Han begegneten?
    “Du kannst nicht hier im Wald bleiben und wie ein Tier sterben. Ich nehme dich mit nach Hause. Nur so lange, bis deine Kleider wieder trocken sind, du etwas gegessen hast und deine Wunde versorgt ist.”
    Der Mann gab keine Antwort. Spürte er, dass es ein etwas halbherziges Angebot war?
    Sie blickte auf und sah, dass sein Kopf auf die Brust gesunken war. Wenn sie ihn nur wirklich in einen Molch hätte verwandeln können! Dann würde er jetzt wenigstens in ihre Tasche passen.
    Das brachte sie auf einen Gedanken.
    Sie wühlte in der obersten Tasche des Schultergurts und verzog das Gesicht, als sie einen ekelhaften kleinen Klumpen aus fein geschnittenen Haaren und Bärenfett herauszog.
    Angewidert hielt sie sich die Nase zu und stopfte das Zeug in den Mund, kaute, schluckte und kämpfte mit dem Brechreiz.
    Er musste wohl gestorben sein. Das war Raths erster Gedanke, als er wieder zu sich kam.
    Sein zweiter Gedanke war, dass diese närrische alte Ganny Oddboddy wohl doch Recht gehabt hatte. Stur hatte sie behauptet, dass nach dem irdischen Jammertal die Seelen der Menschen an irgendeinen angenehmen Ort kommen würden.
    Das irdische Jammertal.
    Er hatte es gewiss hinter sich gelassen, denn als er noch lebte, hatte er nie solche Wärme, solch einen Frieden und
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