Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Prophezeiung

Die Prophezeiung

Titel: Die Prophezeiung
Autoren: Krystyna Kuhn
Vom Netzwerk:
gestrichen. Die Geister der Vergangenheit waren verschwunden. Auch ihre Mutter war nicht mehr da.
    Katie rührte sich nicht. Fühlte sich wie erstarrt.
    Erstarrt.
    Dieses Wort.
    Sie würde es nie wieder verwenden können, ohne an Grace’ Leiche in dem Raum unter dem See zu denken.
    Katie war immer stolz auf ihren Realitätssinn gewesen. Denn eigentlich meinte das doch – hey, ich werde mit allem im Leben fertig, versteht ihr? Ich bin kein Loser, niemand, der sich vor Angst in die Hose pisst. Ich zeige der Welt einfach den Mittelfinger, wenn sie mir zu nahe kommt.
    Inzwischen hatte sie begriffen, dass das nicht immer so einfach war.
    Sie wusste, dass jemand in ihrem Zimmer war und hinter ihr stand. Und sie war überzeugt, einer von ihnen sei zurückgekehrt, vielleicht Milton, der ihr das Ende persönlich erzählen wollte. Doch am meisten fürchtete sie, es könnte ihre Mutter sein.
    Deshalb hielt sie ihre Augen fest geschlossen und konzentrierte sich darauf, nicht die kleinste Bewegung zu machen.
    »Katie?«, sagte eine Stimme leise.
    »Gott sei Dank, du bist da. Ich dachte schon, ich würde dich hier nicht finden.«
    Sie öffnete die Augen.
    Im fahlen Licht erkannte sie Robert, der in der Tür stand. In seinem Gesicht las Katie Erleichterung, Verzweiflung, Erschöpfung.
    Katie war versucht, wieder die Augen zu schließen. Sie war so müde, so unendlich müde. War Robert auch einer der Geister? War er vielleicht schon gestorben und suchte sie jetzt auf?
    Sie starrte ihn an, seine schmalen Wangenknochen, seine Brille, verschmutzt von rotem Staub, seine nassen Jeans.
    Nein. Robert war zurückgekehrt. Und er war am Leben!
    »Wir müssen reden.« Seine Stimme war völlig real. »Wo ist Julia?«
    »Ich habe sie seit Stunden nicht gesehen. Sie wollen einen Suchtrupp nach dir losschicken.«
    Er drehte den Schlüssel in der Tür herum. Dann warf er den Rucksack auf den Boden und ließ sich auf ihr Bett fallen.
    »Wo warst du, Robert?« Mehr brachte sie nicht heraus.
    »Ihr hättet euch keine Sorgen machen müssen. Mir kann nichts passieren. Was ist mit Benjamin?«
    »Er wird es überleben«, sagte sie knapp. »Ich habe in Dave Yellads Reiseberichten einen Hinweis über die Pilze gefunden. David sagt, … egal, das dauert jetzt einfach zu lange. Viel wichtiger ist: Warum bist du dort unten geblieben?«
    Robert griff nach der Decke auf ihrem Bett und wickelte sich darin ein. »Wir sind nicht zufällig hier im Tal, oder, Katie?«
    Katie wartete darauf, dass er weitersprach, aber diesen Gefallen tat er ihr nicht. Vielmehr schien es ihr, als erwarte er etwas von ihr. Und sie spürte auch genau was.
    Ihr Coming-out.
    The point of no return.
    Das Schweigen war eindringlich, beschwörend und Robert würde es länger aushalten als sie.
    Sie stand auf und ging ans Fenster. »Meine Mutter …«, sie stockte, beobachtete Robert, wie er auf ihrem Bett lag, den Arm über den Augen. Er rührte sich nicht. »Ihr Name ist Mi Su Chung und sie wurde in einem der ältesten Vororte Jongno-gu von Seoul geboren. Mir hat meine Großmutter immer erzählt, Mom hätte die Universität von Seoul besucht, aber dann … als wir auf dem Ghost waren und Benjamin das Foto in der Hütte gefunden hat, da …«
    »Hast du sie auf dem Foto erkannt? Deine Mutter ist Eliza.«
    »Du wusstest das. Du wusstest das die ganze Zeit?« Das erste Mal, seit Robert da war, erhob Katie die Stimme.
    »Tut mir leid, Katie. Ich konnte es dir nicht früher sagen.«
    »Ach ja? Warum nicht? Hast du dich kaputtgelacht über mich, wie ich versucht habe, so zu tun, als hätte ich keine Ahnung? Wobei …«, sie lachte bitter. »Ich hatte ja auch keine Ahnung. Bis wir diese Papiere da unten gefunden haben.«
    Katie sah Robert nicken.
    »Warum hast du nichts gesagt?«
    »Ich hätte es dir erklären müssen, wie ich darauf gekommen bin. Und das kann ich nicht, ohne Julias Leben zu gefährden.«
    »Was hat das mit meiner Mutter zu tun?«
    »Ich wusste es schon, seit wir den Grabstein entdeckt haben.«
    Robert richtete sich auf, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Er kämpfte ganz offensichtlich mit sich.
    »Mark de Vincenz.«
    Katie fuhr zusammen. »Das ist der Typ, mit dem meine Mutter zusammen war«, sagte sie misstrauisch.
    »Er ist mein Vater.«
    Mark war Roberts und Julias Vater? Die große Lovestory, die Mi Su vielleicht nie überwunden hatte?
    »Dann ist Mark de Vincenz noch am Leben, wie meine Mutter? Deine Eltern leben in London,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher