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Die Prophezeiung

Die Prophezeiung

Titel: Die Prophezeiung
Autoren: Krystyna Kuhn
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Frage. »Jetzt, wo sie die Ursachen kennen, können sie etwas dagegen tun, und obwohl er noch nicht aufgewacht ist, scheint er auf das Gegengift zu reagieren. Möglicherweise kommt er sogar ohne Organschäden davon, wobei es allerdings noch zu früh ist, das mit völliger Sicherheit zu sagen.«
    Die Worte schwebten an Katie vorbei.
    Sie hatte ein Leben gerettet? Benjamins Leben? Das fühlte sich seltsam an – völlig unwirklich.
    Sie räusperte sich. »Was ist mit deinem Bein?«
    Davids Stimme klang gleichmütig. »Sie haben beschlossen, das kranke Gewebe herauszuschneiden, und werden es durch ein Stück aus dem Oberschenkel ersetzen.«
    »Aber was ist denn nun passiert? Hat sich die Wunde infiziert?«
    »So nennen sie es jedenfalls. Die Wahrheit ist, sie haben keine Ahnung.«
    Katie kam das Gespräch immer irrealer vor. Vielleicht lag es daran, dass sie Davids Gesicht nicht sehen konnte. »Wann wirst du entlassen?«
    »Oh, ich fürchte, das dauert«, sagte er ernsthaft. »Sie tun megawichtig und faseln irgendetwas davon, dass es sich um einen Grenzfall handelt, der sorgfältig dokumentiert und beobachtet werden muss. Vielleicht kann ich ja mal meine Doktorarbeit über mich selbst schreiben.«
    »Ja«, sagte Katie und dachte daran, dass sie schon weg sein würde, wenn David ans College zurückkehrte. Dann wäre sie in Washington bei Sebastien. Und alles wäre wieder wie früher.
    Nein, nicht ganz. Aber es war nicht wichtig, dass er querschnittsgelähmt war. Allein mit ihm zu sprechen, ihn zu sehen – war tausend Mal mehr wert.
    David hatte irgendetwas gesagt.
    »Was?«
    »Ist Robert zurückgekommen?«
    Sie gab keine Antwort.
    »Also nein.«
    Für wenige Sekunden ein Schweigen, in dem die Angst mitschwang. »Ihr müsst nach ihm suchen!«
    »Dann muss ich die ganze Geschichte erzählen. Von dem Labyrinth, dem Raum unter dem See und Grace.«
    »Ja.«
    »Es wird alles verändern.«
    »Vielleicht ist das gut so. Es gibt zu viele Geheimnisse im Tal.«
    »Ja.«
    »Grüße die anderen.«
    »Wenn sie überhaupt noch mit mir sprechen.«
    »Das werden sie, wenn du ihnen die Wahrheit sagst.«
    Sie brach das Gespräch ab, legte das Handy zurück auf den Schreibtisch und dachte: die Wahrheit.
    Sie konnte das Wort langsam nicht mehr hören.
    Der Nebel draußen war nun so dicht, als sei die Welt vor dem Fenster nur noch eine einzige graue Wand, die alles Leben auslöschte. Selbst das Licht der Außenbeleuchtung wurde von der düsteren Farbe verschluckt und Katie wusste nicht, ob der Nebel sie einschließen wollte oder das, was draußen war, von ihr fernhielt.
    Immer verzweifelter blätterte sie in dem Aktenordner, auf dem mit großen Lettern Grace Dossier geschrieben stand. Und mit jeder Antwort ergaben sich neue Fragen, tauchten im Dunkel auf und verschwanden wieder.
    Es war niemand mehr im Apartment. Der ganze Seitenflügel schien menschenleer und auch Katies Zimmer war erfüllt von Schweigen und – Schatten.
    Sie alle hatten sich um sie herum versammelt. Nicht die neuen Freunde, die sie hier oben gewonnen hatte und die sie vermutlich gerade wieder verlor. Julia würde sie nicht mehr nach Robert fragen. Sie hatte gehört, wie sie das Apartment zusammen mit Rose verlassen hatte. Vielleicht waren sie schon auf dem Weg zum Dean, hatten den Sicherheitsdienst benachrichtigt, um Robert zu suchen.
    Aber Katie war nicht allein. Sie spürte es.
    Die anderen waren bei ihr. Kathleen, genannt Katie wie sie selbst, Martha, Milton, Frank, Mark. Sie sah auch Mi Su, ihre Mutter. Sie saß auf ihrem Bett und beobachtete sie stumm, wie sie es immer gemacht hatte.
    Und natürlich Grace, die in dieser verzerrten Haltung, in der sie gestorben war, in einer Ecke ihres Zimmers lag und in der anderen Paul Forster, die Axt im Rücken.
    Die Zeit, in der Robert zurück sein sollte, war längst verstrichen, aber Katie war unfähig, sich zu bewegen. Sie wagte es nicht einmal, sich aus dem Schaukelstuhl zu erheben. Sie würde sie alle verscheuchen, die sich in ihrem Zimmer versammelt hatten.
    Sie kannte nun das ganze Drama, verstand es, verstand es nicht. Die Schattenspiele an der Wand. Was die Studenten in den letzten Minuten von Grace getan hatten. Oder besser: was sie nicht getan hatten.
    Jeder Versuch, sie anzuheben, endete in Grace’ entsetzlichen Schreien. Es war unmöglich gewesen, sie auch nur in die Hütte zu schaffen.
    Milton: Er hatte verzweifelte Versuche unternommen, Grace am Leben zu erhalten, wenn er rief: »Halte durch. Morgen gehen wir
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