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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition)
Autoren: H. J. Anderegg
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dem verkrachten Jus-Studium dem entschlossenen Kampf gegen die Umweltverschmutzer und Menschheitsvergifter, wie er sie nannte, verschrieben. Eine Zeitlang war er aktives Mitglied von Greenpeace, doch als die ihm zu brav wurden, zog es ihn zu immer radikaleren Gruppen hin. Und unvermittelt tauchte sein Name im Saitou-Dossier auf. Ryan hatte vor kurzem bei der Leitung der Goldmine, auf deren Gelände Charlie gerade blickte, für rote Köpfe gesorgt. Er hatte angeblich Beweise für einen massiven Missbrauch staatlicher Beihilfen und einen Umweltskandal tragischen Ausmaßes. Offenbar hatte er angekündigt, die brisanten Dokumente zu veröffentlichen und bei den Behörden ordentlich Druck zu machen.
    Und nun war er verschollen – Grund genug für seinen Freund, sich die Sache genauer anzusehen, zumal es um die gleiche Firma ging, die er in Japan unter die Lupe nehmen sollte. Er nahm an, dass der Energiekonzern diese Goldmine vor allem wegen des Kupfers betrieb, das als Nebenprodukt in großen Mengen anfiel. Die mysteriösen Vorgänge rund um die Minas Satú, wie die Einheimischen die Mine nannten, hatten für ihn Priorität, doch Osaka durfte nicht vernachlässigt werden. Eher widerwillig musste er daher seine neue Assistentin vorerst allein nach Japan ziehen lassen. Er hatte bisher stets als Einzelkämpfer gearbeitet und war anfangs alles andere als begeistert, als ihm sein Chef eines Tages Daisy präsentierte. Obwohl etwas gar vorlaut, hatte sie sich seine Achtung rasch verschafft als cleveres, mit allen juristischen und buchhalterischen Wassern gewaschenes Energiebündel. Mal sehen, ob sie sich auch im Außendienst so brillant bewährte.
    Ein letztes Mal überblickte er die Anlage durch sein Fernglas, dann wandte er sich ab und stieg die Böschung hinunter zu seinem Wagen. Er setzte sich neben seinen Fahrer, den er eher als Führer engagiert hatte.
    »Bringen wir’s hinter uns, Miguel.«
    »Nenhum problema.« Für Miguel was alles ›kein Problem‹, er schien stets bester Laune zu sein. Charlie lächelte. Er mochte den Mann und bewunderte die Leichtigkeit, mit der er sein Leben meisterte, das sicher kein Zuckerlecken war. Die Strasse war nichts weiter als eine Piste aus feuchter roter Erde, die man hier als schnurgerade Schneise in den dichten Tropenwald gehauen hatte. Die Regenzeit war noch nicht vorbei. Immer noch standen weite Teile des Landes unter Wasser. Ohne Führer wäre er verloren gewesen, denn die in den Landkarten verzeichneten Strassen waren weitgehend verschwunden, stellenweise metertief abgetaucht wie die Sträucher, Büsche und niedrigen Bäume des überfluteten Waldes.
    »Verfluchte Viecher!«, entfuhr es ihm, als er einen schmerzhaften Stich im Nacken spürte. Die Mücken hielten sich offenbar nicht an die Gebrauchsanweisung des Insektenschutzmittels, das er bereits in mehreren Schichten aufgetragen hatte. Diese Gegend war ein einziges riesiges Sumpfgebiet, die ideale Brutstätte für allerhand Getier, auf das er liebend gern verzichtet hätte. Sie parkten den Geländewagen vor einem langgezogenen Gebäude mit rostigem Wellblechdach, das als Büro bezeichnet war. Charlie stieg aus und winkte Miguel, ihm zu folgen. Er konnte sich zwar einigermaßen fließend auf Portugiesisch unterhalten, fühlte sich aber doch sicherer, wenn er ortskundige Unterstützung hatte.
    »Boa tarde«, begrüßte er die ältere Dame, die sich hinter einem wackligen Schreibtisch und einer Reihe von Ordnern verschanzt hatte. »Ich möchte gerne den Chef sprechen.« Sie warf ihm einen misstrauischen Blick zu, ohne den Gruß zu erwidern. Er hielt ihr schleunigst seinen UNO-Ausweis und das Begleitschreiben der Regierung aus Brasilia unter die Nase, bevor sie sich zu einer ungebührlichen Bemerkung hinreißen ließ. Den Ausweis beachtete sie nicht, aber das Papier mit dem brasilianischen Wappen und den vielen Unterschriften beeindruckte sie nachhaltig. Sie sprang auf, strahlte die Besucher freundlich an und bat sie, kurz zu warten. Im nächsten Augenblick war sie verschwunden. Die Minuten vergingen, aus der kurzen Wartezeit wurde eine Viertelstunde. Endlich erschien ein drahtiger älterer Herr mit sorgfältig gestutztem weißem Bart, in makellos weißem Hemd und weißer Hose, die lose um seine dürren Beine flatterte. Hundert Jahre früher hätte der Mann ohne weiteres als Kautschukbaron durchgehen können. Er stellte sich als José de Souza, Manager der Mine, vor und führte die Fremden ins Nebenzimmer an einen Konferenztisch,
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