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Die Prinzen Von Irland

Die Prinzen Von Irland

Titel: Die Prinzen Von Irland
Autoren: Edward Rutherfurd
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Conall vermied es sogar, etwas, was diese Farbe hatte, auch nur zu berühren.
»Daher scheint mir«, hatte Finbarr einmal zu ihm gesagt, »dass du ewig leben
wirst, wenn du dich nur vom Meer fern hältst.«
    Sie
waren Freunde gewesen seit jenem Tag in ihrer Kindheit, als eine
Jagdgesellschaft, der auch der junge Conall angehörte, vor dem bescheidenen
Bauerngehöft von Finbarrs Familie Halt gemacht hatte, um zu rasten. Die zwei
Knaben hatten sich kennen gelernt und miteinander gespielt, schon bald machten
sie einen Ringkampf und widmeten sich jenem Spiel mit Ball und Schläger, das
die Bewohner der Insel hur–Ung nennen, während die
Männer ihnen zusahen. Einige Zeit später hatte Conall gefragt, ob er seinen
neuen Freund wieder besuchen dürfe, und binnen eines Monats waren sie feste
Freunde geworden. Und als Conall kurz darauf gefragt hatte, ob Finbarr nicht in
den königlichen Haushalt eintreten und zu einem Krieger ausgebildet werden
durfte, hatte man ihm diese Bitte gewährt. Finbarrs Familie zeigte sich über diese
Ehre hocherfreut. Die Freundschaft der beiden Jungen war nie getrübt worden.
Während Conall die gutmütige und allzeit fröhliche Art seines Gefährten liebte,
bewunderte dieser die stille, tiefere Nachdenklichkeit des jungen Edelmanns.
    Aber
das war nur eine Seite von Conall. Obwohl nicht gerade der muskulöseste unter
den jungen Helden, war er dennoch der wohl beste Athlet. Im Sprinten war er
flink wie ein Reh. Nur Finbarr konnte es mit ihm aufnehmen, wenn sie in ihren
leichten, zweirädrigen Streitwagen dahinjagten. Wenn Conall einen Speer
schleuderte, schien dieser wie ein Vogel und mit tödlicher Treffsicherheit
dahinzufliegen. Seinen Schild wirbelte er so blitzschnell herum, dass man ihm
kaum mit den Augen folgen konnte. Und wenn er mit seinem funkelnden Lieblingsschwert
zuschlug, so hieß es: Andere mögen vielleicht härtere Schläge austeilen, aber
Conalls Klinge ist stets geschwinder. Die beiden Jungen waren auch musikalisch
begabt. Finbarr liebte das Singen, Conall das Harfenspiel, das er vollendet
beherrschte. Schon als junge Knaben unterhielten sie zuweilen die Gesellschaft
auf den Festen des Hochkönigs. Glücklich waren die Zeiten, wenn der Hochkönig
guter Laune war und sie auch noch entlohnte, als wären sie angeheuerte
Musikanten. Conall wurde von allen Kriegern geschätzt und geachtet. Diejenigen,
die sich noch an Morna erinnerten, waren sich einig: Der Sohn hatte das Zeug zu
einem Führer von ähnlichem Schlag.
    Und
doch war es – und dies war für Finbarr das Sonderbare –, als interessiere ihn
dies in Wirklichkeit wenig.
    Conall
war erst sechs Jahre alt gewesen, als er zum ersten Mal verschwand, und seine
Mutter hatte bereits den ganzen Nachmittag nach ihm gesucht, als er vor
Sonnenuntergang auf einmal mit einem alten Druiden erschien, der ganz ruhig zu
ihr sagte: »Der Junge ist bei mir gewesen.«
    »Ich
bin ihm im Wald begegnet«, hatte Conall erklärt, als sei seine Abwesenheit die
natürlichste Sache der Welt gewesen.
    »Was
hast du denn den ganzen Tag mit dem Druiden gemacht?«, fragte seine Mutter, als
der Alte wieder gegangen war.
    »Och,
wir haben uns unterhalten.«
    »Über
was denn?«, fragte seine Mutter erstaunt.
    »Über
alles«, antwortete er selig.
    Seit
seiner Kindheit war es immer dasselbe: Eine Weile spielte er mit den anderen
Jungen, aber dann verschwand er auf einmal. Manchmal nahm er Finbarr mit, und
sie wanderten durch die Wälder oder an den Flüssen entlang. Finbarr konnte
Vogelstimmen nachahmen. Das liebte Conall. Und es gab kaum eine Pflanze auf der
Insel, deren Namen der junge Prinz nicht kannte. Aber selbst auf diesen
Ausflügen hatte Finbarr zuweilen das Gefühl, dass sein Freund, so sehr er ihn
mochte, lieber allein sein wollte; und dann zog er sich von ihm zurück, und
Conall begab sich einen halben Tag lang allein auf Wanderschaft.
    Stets
betonte er Finbarr gegenüber, dass er glücklich sei. Und doch nahm sein
Gesicht, wenn er tief in Gedanken war, einen schwermütigen Ausdruck an, oder
die Melodie erhielt, wenn er Harfe spielte, einen seltsam traurigen Ton. »Hier
kommt der Mann, der den Kummer zum Freund hat«, pflegte Finbarr liebevoll zu
sagen, wenn Conall von seinen einsamen Wanderungen zurückkehrte; aber da lachte
der junge Prinz nur oder stieß ihn verspielt in die Seite und setzte zu einem
Wettlauf an.
    So
war es kaum verwunderlich, dass die anderen jungen Männer Conall von dem Moment
an, als er mit siebzehn das Mannesalter
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